An dieser Stelle veröffentlichen wir einen Gastbeitrag von Robert Burghardt. Er ist u.A. freischaffender Architekt in Berlin und aktiv in der Initiative Stadt von Unten.
In den letzten Tagen haben verschiedene Politiker_innen und Kommentator_innen auf den Rücktritt Andrej Holms so reagiert: Endlich könne es nun weitergehen, endlich könne man sich nun auf die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele konzentrieren. Eine verständliche Argumentationsfigur. Denn sicherlich geht es jetzt weiter (was auch sonst?) und sicherlich müssen wir nun das Beste aus der Situation machen.
Doch leider kann ich es nicht so sehen, dass man jetzt zurück zur Tagesordnung gehen könne. Die Ausgangslage hat sich verändert. Mit dem erzwungenen Rücktritt von Andrej Holm ist ein Bruch entstanden, der nichts mit einem sportlich verlorenen Match zu tun hat, bei dem man jetzt in die nächste Runde gehen kann.
Dieser Bruch liegt nicht darin begründet, das Andrej der einzig Fähige wäre, den Job als Staatssekretär im Sinne einer sozialeren Wohnungsbaupolitik zu machen (wie manche versucht haben es darzustellen) und auch nicht darin, dass wir ihn als „Fachmann“ verloren hätten. Sondern er besteht darin, dass jemand wie er nicht gehalten werden konnte, dass es nicht genug politischen Willen oder Kraft gab, ihn zu halten. Dass von denjenigen, die einen linken Politikwechsel vertreten, nicht erkannt wurde, was es bedeuten würde, ihn zu halten, jemanden mit einer gebrochenen Biographie, jemanden, der aus einer Kaderfamilie der DDR kommt, dann Hausbesetzer war und mit DDR-Oppositionellen verkehrte, anerkannter Wissenschaftler geworden ist und gleichzeitig mit sozialen Bewegungen zusammenarbeitet. Jemanden, der im Knast saß, weil er als Wissenschaftler Begriffe eingeführt hat, die dann in Bekennerschreiben der militanten Linken verwendet wurden, jemanden, der kein aalglatter Politiker ist, der sich mit den richtigen Floskeln Angriffen entziehen kann. Jemanden, bei dem Repräsentation und Praxis zusammen gehen, der seine wissenschaftliche Arbeit macht, weil er inhaltlich davon überzeugt ist und der mit seiner Biographie darin verwoben ist.
Die Mächtigkeit, die die Angriffe auf Holm entfalten konnten, wahlweise die Hilflosigkeit oder der Opportunismus, mit denen die Koalitionspartnerinnen darauf reagiert haben, wie sie von rechts bis rechts außen vor sich her getrieben wurden, haben die engen Grenzen, in denen linke Politik in Deutschland und Berlin möglich und vorstellbar ist, aufgezeigt. Es hat auch mal wieder bestätigt, wie die Machtverhältnisse sind und dass Politik tatsächlich nur als powerplay funktioniert (Stichwörter: Augenhöhe, gutes Regieren).
Den Hauptschaden haben damit das politisch Vorstellbare und der Glaube an die Möglichkeiten politischer Vernunft erlitten. Es hat sich gezeigt, dass von ein paar Überzeugungstäter_innen eine Kampagne (oder um weniger verschwörungstheoretisch zu klingen: eine Dynamik) losgetreten werden kann, in der einfach nur ein paar Schlagwörter angespielt und immer wieder wiederholt werden müssen, um eine rationale Debatte zu verunmöglichen. Eine Kampagne, die mit den Gegenständen der Debatte (Stasi/Stalinismus-Aufarbeitung, Glaubwürdigkeit von Politikern, oder eine Diskussion um Eigentum und Verantwortung) nichts zu tun hat und diese auch nicht einen Millimeter weitergebracht hat.
Ein Politikwechsel würde notwendig politische Konflikte erzeugen, da Interessen vertreten und beschnitten werden müssen, um ihn durchzusetzen. Die Koalition hat damit bewiesen, dass sie diese Konflikte nicht austragen möchte (Müller hat das direkt so gesagt: Holm polarisiert zu sehr) oder kann: Aus Angst, aus Opportunismus, aus Unfähigkeit, aus wirklicher Schwäche?
Die Einschränkung des politisch Vorstellbaren schwächt auch die Arbeit außerparlamentarischer Initiativen, die Aufbauarbeit an anderen ökonomischen Modellen. Denn auch wir können (und wollen) nicht nur vom Kampf dagegen leben, sondern wollen konkret und materiell beweisen, dass die Dinge auch anders sein könnten. Dafür brauchen wir aber eine Mobilisierung von Ressourcen, die wir im Rahmen unserer Arbeit nicht allein leisten können, dafür brauchen wir Koalitionen mit verschiedenen Akteuren. Dafür brauchen wir Verbündete und Akteure in gesellschaftlichen Machtpositionen. Dafür brauchen wir Andrej Holm und aber auch Politiker_innen.
Der Rücktritt Holms und das damit beschädigte politische Imaginäre, sind nicht nur ein Schaden für linke Politik, sondern zugleich ein Sieg der Ellenbogen, der Hetzer, der Hater, der Zyniker und eine Bestätigung der Politikverdrossenen sowie ganz konkret ein Sieg für diejenigen, die sich aktuell mit ihrer Politik des Negativen als einzige politische Alternative darstellen können.
Und damit ist es auch nicht nur eine Niederlage für die Partei „die Linke“, sondern eine gesamtgesellschaftliche Niederlage. Denn eigentlich war Andrej eben nicht der Kandidat der Linken. Er ist parteilos. Er wäre der Staatssekretär der Grassroots-Bewegung der Mieter_innen und der sozialen Bewegungen gewesen. Ein politisches Novum, eine Eröffnung neuer politischer Räume! Exciting!
Als solchen hätten sich jedoch auch die Grünen Andrej „zu eigen“ machen müssen (und idealer- aber unrealistischerweise auch die SPD), was sie nicht öffentlich und artikuliert genug getan haben. Leider hat es aber auch die Partei „die Linke“ nicht begriffen, die sich mit ihm profilieren wollte und hilflos darin war, ihn angemessen zu unterstützen und genügend Unterstützung abzusichern.
Trotzdem wünsche ich mir, dass wir es in den kommenden vier Jahren schaffen, Reformvorhaben und Modellprojekte anzustoßen und politische Konflikte gemeinsam durchzukämpfen. Aber leider ist auch mein persönlicher Glaube daran durch die Ereignisse der letzten Wochen stark beschädigt worden.
Robert Burghardt
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