Sargfabrik
Wien, Österreich

1996

5.570 qm Wohnnutzfläche, 1964 qm Freifläche/ Garten

240 Menschen, Wohn- und Kulturhaus, 6,50E/m2 + Anteil

 

Im Westen Wiens auf dem Areal einer ehemaligen Sargfabrik ist die Vision einer innovativen Wohnkultur 1996 Wirklichkeit geworden. Die BewohnerInnen der Sargfabrik werden durch den “Verein zur integrativen Lebensgestaltung” repräsentiert.

Aus der Unzufriedenheit über den teuren und den Traditionen der Kleinfamilie verhafteten Wohnungsmarkt schlossen sich 1985 eine Gruppe von Personen zusammen. Im Mai 1989 wurde die Liegenschaft, erworben. Das Architekturbüro BKK-2 wurde 1993 mit der Planung eines den komplexen Vorstellungen des Vereins entsprechenden Gebäudeensembles auf dem Grundstück der stillgelegten Fabrik beauftragt. Die Schlagworte der ersten Stunde lauteten: Wohnen, Kultur und Integration.

Das Wohnprojekt ist ein geförderter Wohnbau, da es als Wohnheim deklariert ist. Die Vereinsmitglieder zahlen ein Darlehen an den Verein gegen Nutzungsrecht der gemeinschaftlichen Einrichtungen. Gegenwärtig leben in den insgesamt 112 Wohneinheiten etwa 150 Erwachsene sowie 60 Kinder und Jugendliche. Platz finden zurzeit u.a. eine sozialpädagogische Wohngemeinschaft, Heimplätze in Einzel-WE bzw. eine WG für Behinderte und 6 WE für kurzfristigen Wohnbedarf als befristete Mietverhältnisse. Neben den flexibel gestalteten Wohnungsmodulen von 45m2 beinhaltet der Komplex eine Vielzahl an Gemeinschaftseinrichtungen wie ein Kulturhaus, Seminarhaus, Café-Restaurant, Kinderhaus und ein Badehaus.

Die Sargfabrik ist ein Wohnungsverband, der gemeinschaftlich verschiedene Lebensmodelle und kulturelle Möglichkeiten beherbergt. Es ist ein Ort der Begegnung von Menschen unterschiedlichen Alters und Herkunft. Trotz der gewünschten Integration erscheint das Projekt eher introvertiert und idyllisch – ein Dorf in der Stadt.

 

Stadt bezahlbar für Alle? Wer bezahlt?

Das Wohnprojekt ist ein geförderter Wohnbau (nach WWFSG* 1989, §14) und wird als Wohnheim deklariert. Die Vereinsmitglieder zahlen bei Eintritt ein Darlehen von 700 €/m2 an den Verein gegen Nutzungsrecht der gemeinschaftlichen Einrichtungen. Die monatlichen Gesamtkosten belaufen sich auf 6,50 €/m2. Das Darlehen an den Verein zur Finanzierung der Grund- und Eigenmittel wird bei Kündigung wertgesichert rückgezahlt. Bei Auszug fällt die Wohnung an den Verein zurück. Ist das Haus abbezahlt fließt die Miete weiter in die Instandhaltung der Gebäude und neue Projekte.

Wer entscheidet was?

Der “Verein für Integrative Lebensgestaltung” ist Grundeigentümer, Bauherr, Betreiber der Wohnanlage, Vermieter und verwaltet sich selbst. Die Vereinsmitglieder sind die NutzerInnen der Wohnungen, ihre Rechte und Pflichten sind in einem internen Vertrag geregelt, ähnlich einer Genossenschaft. Durch alle Bereiche zieht sich das hohe Engagement der Mitglieder. Auch das gemeinschaftliche Leben ist von diesen wichtigen unbezahlten Initiativen und Arbeitsgruppen geprägt. In den Mitgliederversammlungen (zweimal jährlich) werden wichtige Entscheidungen, wie über Statuten, Geschäftsordnung, Leitbild, Jahresarbeitsprogramm, Budget, Wohnungsvergabe, Benützungsordnungen, etc. getroffen. Der Vorstand setzt eine professionelle Geschäftsführung für die operative Umsetzung des Jahresarbeitsprogramms und zur Leitung der einzelnen Geschäftsbereiche ein.

Wieso, Weshalb, Warum?

Es soll ein Ort der Begegnung von Menschen unterschiedlichen Alters und Herkunft sein – ein Wohnungsverband, der gemeinschaftlich verschiedene Lebensmodelle, aber auch kulturelle Möglichkeiten beherbergt. Die Themen Wohnen, Kultur und Integration sind als Leitziele verankert.

Die gesellschaftliche Einbindung erfolgt auf vielen Ebenen. Durch den vielfältigen und hervorragenden Spielplan des Kulturhauses konnte sich die Sargfabrik längst einen fixen Platz in der Wiener Kulturszene sichern. Auch das Badehaus läd viele Personen aus dem Umkreis zum Verweilen ein. Wiener Siedler*innenbewegung

Wem gehört die Stadt?

Der Verein für Integrative Lebensgestaltung ist Grundeigentümer, Bauherr, Betreiber und Vermieter von Sargfabrik und Miss Sargfabrik. Der VIL überlässt die Wohnungen zur Nutzung den Vereinsmitgliedern, deren Rechte und Pflichten in einem internen Vertrag geregelt sind. Nur bestimmte Bereiche sind der Öffentlichkeit dauerhaft frei zugänglich. Das Kulturhaus, der Seminarraum und das Badehaus kann von externen Besuchern angemietet bzw. besucht werden. Der weitläufige Außenbereich ist abgesehen von den Spielplätzen nur für die Bewohner zugänglich.

Aufgrund der großen Nachfrage hat der Verein bereits einige Jahre später ein weiteres Projekt ins Leben gerufen – “Miss Sargfabrik”. Bei der Vergabe der Wohnungen wird keine gereihte “Warteliste” geführt. Zum einen ist die Nachfrage in der Sargfabrik und Miss Sargfabrik groß, ebenso wie offenbar die Zufriedenheit, denn die Fluktuation hält sich in Grenzen. Selten gelangen Wohnungen in den “öffentlichen Pool”, sie werden bei veränderten Lebensumständen innerhalb der Vereinsmitglieder getauscht. Zum anderen haben die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt, dass sich die Bedürfnisse der vorgemerkten InteressentInnen in der Wartezeit ebenfalls wandeln. Nicht alle verfügbar werdenden Wohnungen erweisen sich als für alle gleichermaßen passend. Sargfabrik

... und wie kam es dazu?

Aus Unzufriedenheit über den geringen Standard und die permanent steigenden Erhaltungskosten der Wiener Mietwohnungen bildete sich im Herbst 1986 eine kleine Interessengruppe. Man wollte einen Wohnungsverband in einem schon bestehenden Gebäude oder eine neuartig konzipierte offene Wohnanlage zur gemeinschaftlichen Beherbergung verschiedener Lebensformen und kultureller Möglichkeiten schaffen. 1987 wurde der gemeinnützige Verein für integrative Lebensgestaltung als Träger der bald zu einer Kerngruppe von mehr als 30 Mitgliedern angewachsenen Initiative gegründet und suchte eine geeignete Liegenschaft: die alte Sargfabrik


Quellen:

  • Quellen: http://www.sargfabrik.at (Stand 03.02.2015)

 

Recherche und Grafiken von Johanna Grabmeier
im Rahmen des Projektlabors Selbstverwaltet Kommunal