Positionspapier zur Grundstücksübertragung und zukünftigen Eigentumsstruktur des sog. Dragonerareals, Initiative Stadt von Unten
Treuhänderische Grundstücksübertragung an Interimseigentümerin und Entwicklung des zukünftigen Eigentums- und Trägermodells im Rahmen des Partizipationsprozesses
In einer öffentlichen Informationsveranstaltung zum Stand der Übergabe des Dragonerareals am 6.11.2017 wurde durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einseitig verkündet, das sog. Dragonerareal im Zuge der Grundstücksübertragung vom Bund an das Land Berlin an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften degewo und WBM übertragen zu wollen. Die am Partizipationsprozess zum Sanierungsgebiet Rathausblock beteiligten Initiativen forderten unter Anwesenheit des Staatssekretärs für Wohnen bereits 4 Monate zuvor, am 18.07.2017 in der Auftaktveranstaltung zum Sanierungsgebiet, dass auch das zukünftige Eigentums- und Trägermodell im Rahmen des Beteiligungsprozesses erarbeitet und ausgehandelt wird.
Zuletzt wurde dieses Anliegen am 06.11. in einem gemeinsamen Forderungskatalog zur Grundstücksverwaltung und Trägerschaft des sog. Dragonerareals erneut bekräftigt. Diese Frage ist für viele der seit Jahren am sog. Dragonerareal aktiven Initiativen zentral und muss somit Gegenstand des politischen Aushandlungsprozesses zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung sein. Jegliche eigentumsrechtlichen Entscheidungen, die außerhalb des Beteiligungsverfahrens Fakten schaffen und damit die demokratische Mitbestimmung der Stadtgesellschaft aushebeln, sind nicht akzeptabel.
Die Grundstücksübertragung vom Bund an Berlin soll laut Hauptstadtfinanzierungsvertrag bis zum 30.6.2018 vollzogen werden, so Staatssekretär für Wohnen, Sebastian Scheel, bei der öffentlichen Informationsveranstaltung am 6.11.2017, da ansonsten Zahlungen des Bundes an Berlin für bestimmte Kultureinrichtungen ausgesetzt würden. Aus der oben genannten Forderung, dass die künftige Eigentums- und Betreiberstruktur Gegenstand des Beteiligungsprozesses sein und darin verbindlich erarbeitet werden muss, ergibt sich, dass die Übertragung aktuell nur treuhänderischen Charakter haben kann.
Die Institution, an die das Dragonerareal bis zum 30.6.2018 übertragen wird, sollte somit als Interimsverwaltung fungieren, bis endgültige Eigentums- und Betreiberstrukturen im Beteiligungsprozess erarbeitet worden sind. Eine solche Treuhänderfunktion beinhaltet, dass die Interimseigentümerin keine eigenen Entwicklungsinteressen verfolgt, sondern lediglich Bestandsmietverträge, einschließlich den des neu geschaffenen Kiezraums, auf dem Gelände verwaltet, sowie notwendige Instandsetzungen durchführt, um den weiteren Verfall von Gebäudesubstanz und Infrastruktur zu verhindern. Weitere Vermietungen und der Umgang mit den leerstehenden Beständen sind bereits heute Gegenstand des Beteiligungsverfahrens. Alleingänge durch den Treuhänder müssen ausgeschlossen werden, daher muss dieser an das laufende Verfahren gebunden werden.
Dementsprechend sollte die zwischen Senat und treuhänderischer Eigentümerin abzuschließende Vereinbarung, die Staatssekretär Scheel unter dem Begriff „Entwicklungsvereinbarung“ ins Spiel gebracht hat, auch keine Setzungen hinsichtlich Bebauung und Nutzung, beschränkter Quote der geförderter Wohnungen, Pacht- und Betreibermodellen, Vergabe von Teilflächen oder Partizipationsstrukturen enthalten, da diese die realen Mitbestimmungsmöglichkeiten des Beteiligungsprozesses stark beeinträchtigen würden. Stattdessen sollte die Vereinbarung zwischen Senat und Interimseigentümerin die Offenheit der endgültigen Eigentumsstruktur festhalten und sie explizit an bisherige und zukünftige Ergebnisse des Beteiligungsprozesses binden.
Im seit mehreren Monaten laufenden „Dialogphase“ des Beteiligungsprozesses wurden im Hinblick auf das weitere Verfahren bereits konkrete Vereinbarungen getroffen: Ablauf, Umfang und Gegenstand des offenen Beteiligungsprozesses zum Rathausblock sollen in einer Kooperationsvereinbarung zwischen Bezirk, Senat und mitwirkender Zivilgesellschaft verbindlich festgelegt werden. Dies war u.a. das Ergebnis der Werkstatt „Partizipation“ am 23.11.2017. Die Kooperationsvereinbarung ist die Grundlage für den weiteren Prozess und soll neben einem gemeinsamen Leitbild für den Rathausblock beinhalten, dass die verbindliche Erarbeitung der künftigen Eigentums- und Betreiberstruktur Gegenstand des Beteiligungsprozesses ist und im Anschluss umgesetzt wird.
Mit der Ankündigung des Senats, das Areal frühzeitig an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften übertragen zu wollen (die wir bereits ausführlich an anderer Stelle kritisiert haben), wird über einen bereits laufenden Beteiligungsprozess hinweggegangen. Die am 15.11.2017 von B‘90/Die Grünen in die BVV Friedrichshain-Kreuzberg eingebrachte Resolution bekräftigt die Position der Initiativen: Sie fordert alle beteiligten Akteure auf, die Grundstücksübertragung an zwei landeseigene Wohnungsbaugesellschaften offen zur Diskussion zu stellen, andere Trägermodelle ernsthaft zu prüfen, und sicherzustellen, dass die Entwicklung der Eigentümerstruktur innerhalb des von Senat und Bezirk zugesagten offenen Mitwirkungsverfahrens stattfindet.
Ein Betreibermodell „Selbstverwaltet und kommunal“ sollte unter anderem die öffentliche Daseinsvorsorge – auch durch kommunalwirtschaftlichen Wohnungsbau, der jedoch erst wieder wirklich gemeinnützig werden muss – und die Möglichkeit der Selbstverwaltung der Nutzer_innen abbilden, eine erneute Privatisierung von Flächen ausschließen, die eigentumsrechtliche Trennung von Boden und Gebäuden sowie die sozialgebundene Verwendung von erzielten Überschüssen aus der Bodenrente gewährleisten. Es geht darum, Teilhabe und Beteiligung langfristig in der Eigentumsform zu verankern. Eine weitere Konkretisierung dieser Kernforderungen haben wir in einem Eckpunktepapier formuliert. Für die Entwicklung eines solchen Modells sollten Beispiele aus internationalen Kontexten, wie z.B. Community Land Trusts oder Vorschläge kommunal organisierter Bodenfonds, ernsthaft geprüft und diskutiert werden. Auch hierzu haben wir bereits den Vorschlag gemacht, eine entsprechende Studie im Beteiligungsverfahren zu erarbeiten und zu beauftragen.
Wir erwarten von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und gerade auch von der LINKEN, die Entwicklung des Dragonerareals als wichtiges und gemeinsames Projekt von Stadtregierung und Zivilgesellschaft zu begreifen. Das schließt ein, den Beteiligungsprozess als Ort politischer Aushandlung auch der Eigentumsverhältnisse zu respektieren. Und muss auch den Willen bedeuten, innovative selbstverwaltet-kommunale Strukturen zu entwickeln, die dringend benötigt werden, um der wachsenden Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken und neue Wege solidarischer Stadtentwicklung aufzuzeigen.
Stadt von Unten, 05. Dezember 2017
+++ Update 07.12.2017 +++ Der Stadtplanungsausschuss des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt mit einer Beschlussempfehlung für die Bezirksverordnetenversammlung, dass „die Entscheidungsfindung zur Grundstücksübertragung neu begonnen wird.“ Die Empfehlung wurde als Resolution durch Bündnis 90 / Die Grünen eingebracht, durch einen Änderungsantrag der Partei die LINKE vollständig überarbeitet und durch einen weiteren Satz zu Verzögerungen in der Ausschusssitzung angepasst. Die Beschlussempfehlung als .pdf.