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Esso Häuser – Für eine gerechtere Stadt

Hamburg, St. Pauli, Initiative seit 2010

Die Esso Häuser waren zwei achtgeschossige Stahlbetonskelettbauten mit 110 Wohnungen, einer Tankstelle (Esso) und weiteren Clubs und Bars in dem Stadtteil St. Pauli in der Stadt Hamburg. Erbaut wurden die Wohnhäuser in den 1960ern, die Tankstelle in den 70ern. 2009 wurden die Wohnhäuser und die Tankstelle vom Eigentümer an die Bayrische Hausbau GmbH verkauft. Die Bayrische Hausbau GmbH plante eine Neubebauung des Areals, welche mit dem Abriss der existierenden Baustrukturen verbunden war. Geplant wurde ein Neubau mit 19.500 qm Wohnfläche sowie 5.000qm Gewerbefläche. Die Esso Häuser Initiative hat sich aus Mieterinnen, Gewerbetreibenden, Nachbarinnen und solidarischen Aktiven im Stadtteil im Jahre 2010 gegründet und stellte sich gegen den Abriss und für die Sanierung der vorhandenen Gebäude. 2013 wurden die Esso Häuser wegen vermeindlicher Einsturzgefahr geräumt. 2014 folgte nach langen Protesten und Abwägungen der Abriss der baufälligen Gebäude.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Initiative durch stetige politische Arbeit auch rechtlich noch versucht gegen die Bayrische Hausbau GmbH anzugehen, z.B. weil sie durch erzwungene Instandhaltungsmaßnahmen gegen das Wohnraumschutzgesetz verstoßen habe. Des Weiteren formulierte die Initiative Forderungen, welche die geplante Neubebauung des Investors im geplanten Ausmaß nicht unterstützte. Zu den Forderungen gehörten Beispielsweise 100% geförderter Wohnungsbau sowie den Bedürfnissen der Stadtteilbevölkerung auf St.Pauli eine Priorität zu geben und nicht das Bauland ohne jegliche Regulation der Immobilienwirtschaft und den Profitinteressen herzugeben.

Die Esso Häuser Initiative hat es nicht geschafft die Gebäude vor dem Abriss zu bewahren. Dennoch ist die Initiative als ein Erfolg zu betrachten, da Sie auf die stadtpolitischen Missstände in Hamburg aufmerksam macht und eine breite Öffentlichkeit damit erreicht. Durch den Protest und die präzise Formulierung von für den Stadtteil wichtigen Bedarfe und Forderungen hat die Initiative die Vorarbeit für einen breiten Beteiligungsprozess und die Möglichkeit einer Stadtentwicklung von Unten geleistet. Aus der Forderung nach einem demokratischem Planungsprozesse ist die Planbude entstanden, welches die Teilhabe der Stadtteilbevölkerung an der Neuplanung des Areals möglich machen soll.

 

Stadt bezahlbar für Alle? Wer bezahlt?

Die genauen Finanzstrukturen der Initiative sind nicht bekannt. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Arbeit von Freiwilligen getragen wird, welche von der Vorstellung einer gerechteren und demokratischeren Stadt geleitet werden. Zudem ist die Initiative der Esso Häuser in ein breites Netz­werk (vorwiegend aus der politisch und kulturell linken Szene wie beispielsweise, z. b. das Recht auf Stadt Netzwerk, die Rote Flora oder die FC St Pauli Fan Szene) eingebunden.

Wer entscheidet was?

Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Mieterinnen, Gewerbetreibenden, Nachbarinnen und solidarischen Aktiven im Stadtteil, die eine ähnliche Vorstellung von gemeinschaftlichem Zusammenleben haben. So werden die Entscheidungen demokratisch im Kollektiv getroffen und von der Initiative in die Öffentlichkeit getragen.

Wieso, Weshalb, Warum?

Die Stadtpolitik in Hamburg und der damit einhergehende Verkauf der Esso Häuser an einen Investor verursachte großes Aufsehen in der Bevölkerung, da die derzeitige Entwicklung den kompletten Stadtteil verändert und die dort lebenden Personen aus den attraktiven und zentralen Standorten verdrängt. Die Initiative setzt sich für die Belange des Stadtteils ein, indem sie auf Grundlage der Bedarfe des Stadtteils Forderungen wie beispielsweise 100 % geförderten Wohnungsbau auf dem Areal formuliert . Diese Forderungen ermöglichen eine Verhandlungsbasis mit den beteiligten Akteuren, um sich den Zielvorstellungen zu nähern. In den Verhandlungen hat man sich auf 60 % geförderten Wohnungsbau (davon 5.700 qm Sozialwohnungen und 3.000 qm genossenschaftlicher Wohnungsbau) und 40 % freifinanzierte (etwa 6.000 qm Mietwohnungen / keine Eigentumswohnungen) geeinigt.

Wem gehört die Stadt?

Die Inititative ESSO-Häuser vertritt die Ansicht, dass Stadt nicht der Profitmaximierung unterworfen werden darf. Vielmehr sollte die Stadtentwicklung sich nach den Bedürfnissen der Bürger*innen richten. Dass dies möglich ist und auch auf die Stadtplanung Einfluss nehmen kann, zeigt der Erfolg der Initiative:
Auf Grundlage des breiten Protestes aus der Stadtteilbevölkerung, wurde ein Beteiligungsprozess gestartet und darin die Ausschreibung eines städtebauliches Wettbewerbs erarbeitet. 4 Vertreterinnen aus verschiedenen Stadtteilinitiativen wurden im Anschluss daran Teil der Jury.
“Einmischen lohnt sich! Fast 60% der Wohnungen entstehen als geförderte Wohnung, es wird keine Eigentumswohnungen geben und im Gewerbebereich sind viele Flächen für quartierbezogene Nutzung und für eine soziale Infrastruktur vorgesehen.”
Sabine Stövesand, Anwohnerin und Mitglied der Initiative ESSO-Häuser, sowie Jurymitglied: „Wir werden die Entwicklungen auch weiterhin aktiv und kritisch begleiten. Denn der städtebauliche Wettbewerb ist nur der Anfang. Die nun folgenden Konkretisierungen, zum Beispiel, ob es nachhaltige und lange Bindungen für den sozialen Wohnungsbau dort gibt, und die reale Umsetzung sind entscheidend.“
Aus der Pressemitteilung der Initiative ESSO-Häuser am 23.09.2016

Hier wird deutlich gemacht, dass sozial langfristig abgesicherte Räume und bezahlbaren Mietpreise in den poltiischen Rahmenbedingungen, Struktur und Betrieb verankert werden müssen und sich nicht nur aus vielfältigen städtebaulichen Programmen, Formen und Freiräumen ergeben. Dies möglich zu machen, wird die Initiative weiterhin verfolgen. Esso Häuser

Die Stadt gehört den Ideen
und Vorstellungen der Bürger*innen

... und wie kam es dazu?

Auslöser für die Initiative war der Verkauf des Esso Häuser an die Bayrische Hausbau GmbH, welche einen Neubau plante, der eine extreme Aufwertung und somit Verdrängung der Bewohnerschaft des bereits stark gentrifizierten Stadtteils mit sich gebracht hätte. Man kann die Gründung der Initiative und deren Auslöser (die geplante Entmietung der ESSO Häuser) als Tropfen , der das Faß zum Überlaufen gebracht hat, beschreiben. Bis dahin ging die gängige Stadtentwicklung und Stadtpolitik sehr wenig auf die Bewohner*innen und ihre Bedürfnisse ein.


Quelle:

Recherche von Bozana Vrhovac
Grafiken – sofern nicht anders gekennzeichnet – von Bozana Vrhovac
im Rahmen des Projektlabors Selbstverwaltet Kommunal