Zürich, Schweiz
2014
13.226 m2 gesamte Nutzfläche, 5.292 m2 Dach- und Terrassenfläche
266 Menschen, Wohn- und Gewerbebau, 18€/m2* + Anteil
* Berechnet auf eine 100m2 Wohnung bei einer monatlichen Miete von 2.000 CHF [1.865 Euro]

Auf dem Areal einer Tramabstellanlage, die heute im Inneren des Gebäudes liegt, eröffnete 2014 der Wohn-und Gewerbebau Kalkbreite seine Pforten in Zürich-Aussersihl. Viele QuartierbewohnerInnen und Fachleute entwickelten ihre Vision von einem “neuen Stück Stadt” von Anfang an in einem breiten partizipativen Prozess.

Der Bau erfüllt komplexe Bedingungen: Er vereint die Anforderungen der Genossenschaft bezüglich Wohnen, Gewerbe und Gemeinschaft, integriert eine Tramabstellanlage der Verkehrsbetriebe Zürich, ist eine Kombination von unterschiedlichen Gebäudetypologien in einem Baukörper und fügt sich als ortstypische Blockrandbebauung und lebendiges Scharnier zwischen den angrenzenden Bezirken ins Quartier ein. Durch eine Reduktion des individuellen Flächenverbrauchs von 30m2/Person (inklusive Gemeinschaftsflächen), die Autofreiheit sowie eine aktive Bewirtschaftung ist ein Leben mit 2000 Watt pro Person möglich.


Stadt bezahlbar für Alle? Wer bezahlt?

Die Tätigkeit der Genossenschaft ist gemeinnützig – der Ertrag besteht fast ausschließlich aus den Mietzinsen. Aus ihnen muss der Aufwand für Kreditzinsen, Fondseinlagen für Erneuerung und Amortisation, Abgaben, Verwaltung, Unterhalt etc. beglichen werden. Den grössten Teil des benötigten Anteilkapitals müssen die Wohnungs- und GewerbemieterInnen mit dem proportional zur beanspruchten Nutzfläche berechneten Pflicht-Anteilkapital (216 €/m2 – Pflichtanteil mind. 830 Euro) einbringen. Daneben halten auch Genossenschaftsmitglieder, die nicht in der Kalkbreite wohnen (Mitgliederstand Mai 2016: 1300) sowie ein Dutzend Züricher Wohnbaugenossenschaften und die Stadt Zürich einen Teil des Anteilkapitals. Monatlich ist ein Mietzins (Staffelung nach Zimmeranzahl, Geschoß, Orientierung) mit Nebenkosten und ein Solidaritätsbeitrag zu zahlen.Das Anteilkapital wird gemäß Statuten nicht verzinst. Alle Mietenden beteiligen sich an einem Solidaritätsfonds und an den Grundkosten der gemeinschaftlichen Einrichtungen. Kooperationen und Partnerschaften mit sozialen Institutionen fördern die Durchmischung und Chancengleichheit.


Wer entscheidet was?

Wieso, Weshalb, Warum?

Neben den oben genannten Punkten spielte die Beteiligung der künftigen NutzerInnen in Aufbau und Betrieb, die gemeinschaftliche Nutzung der Innen- und Außenräume und der Austausch, sowie Suffizienz eine wichtige Rolle für das erste Bauprojekt. Das Herz des Projektes bildet der große in neun Metern Höhe auf der überdachten Abstellanlage gelegene quartieröffentliche Hof.
Ressourcen schonen heißt auch teilen. In der Kalkbreite bedeutet dies: Räume, die nur ab und zu genutzt werden, sollen nicht in der privaten Mietfläche enthalten sein, sondern allen zur Verfügung stehen. Der individuelle Raumbedarf kann so zugunsten gemeinschaftlich genutzter Flächen minimiert werden. Den Mieterinnen der Wohnungen und der Gewerberäume steht deshalb eine Vielzahl an Gemeinschaftsräumen für unterschiedliche Nutzungen zur Verfügung. Die zentralen Gemeinschaftsräume wie Halle und Caféteria sind dabei für alle jederzeit frei zugänglich; andere Räume dagegen, wie z.B. die multifunktionalen Flex-Raum, werden stunden- oder tageweise gemietet.


Wem gehört die Stadt?

Basis des Neubaus Kalkbreite ist der Baurechtsvertrag mit der Stadt Zürich. Er gibt der Genossenschaft bis zum Jahr 2070 das Bau- und Nutzungsrecht über das Kalkbreite-Areal; danach kann der Vertrag nochmals um 30 Jahre verlängert werden. Da das Baurecht belehnt werden kann, erhält die Genossenschaft zur Deckung der Investitions-kosten Hypotheken von Banken und anderen Finanzinstituten.

Der Komplex wirkt städtebaulich introvertiert – das Leben scheint sich ganz nach innen zu richten. Soll es eine abgeschlossene Einheit sein? Architektonisch äussert sich diese Frage durch die zweigeschossige Haupttreppe. Grenzen zwischen privat, halböffentlich und öffentlich sind bei dem Gebäude bewusst fliessend gehalten. Im Gegensatz zur räumlich durchaus vorhandenen Zugänglichkeit grenzt sich die Kalk-breite aber durch eher hochpreisige Gewerbeflächen, die eine bestimmte Gesellschaft ansprechen, leider ab.


... und wie kam es dazu?

Die Genossenschaft Kalbreite ging aus dem Verein Kalkbreite hervor und wurde im Juni 2007 gegründet. Neben engagierten QuartierbewohnerInnen und potenziellen MieternInnen engagieren sich die beiden Genossenschaften Dreieck und Karthago in der neuen Genossenschaft. “Wir haben uns als Genossenschaft in Gründung um das Baurecht beworben. Karthago und Dreieck wurden als Pate angegeben. Eine Genossenschaft in Gründung hätte wohl Schwierigkeiten mit einem solch grossen Projekt gehabt. Nun sind wir erwachsen.”


Quellen:

  • ExRotaprint. Berlin. online verfügbar unter: http://www.exrotaprint.de/.
  • Stiftung trias. Hattingen. online verfügbar unter: http://www.stiftung-trias.de/berlin_exrotaprint.html — Stiftung Edith Maryon. Basel. online verfügbar unter: http://www.maryon.ch/foundation/exrotaprint/#.VLe2MifctZ0.

 

Recherche und Grafiken von Johanna Grabmeier
im Rahmen des Projektlabors Selbstverwaltet Kommunal