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ExRotaprint — Ein Ort für Arbeit, Kunst und Soziales
Berlin-Wedding
2007
Grundstück: 8.383qm, 10.000qm Nutzfläche, 260qm Wohnfläche
ExRotaprint ist das ehemalige Gelände des Druckmaschinenherstellers Rotaprint in Berlin-Wedding. 2007 gründeten die Mieter*innen vor Ort die gemeinnützige GmbH ExRotaprint mit dem Ziel das ehemalige Rotaprintgelände in Berlin-Wedding zu übernehmen, der Immobilienspekulation zu entziehen, selbstverwaltet und nutzerorientiert zu entwickeln. Ein Erbbaurechtsvertrag klärt die Eigentums- und Besitzverhältnisse. Die Eigentümer*innen des Geländes sind die Stiftungen “trias” und “Edith Maryon”, die Besitzerin der Gebäude ist die ExRotaprint gGmbH. Das Erbbaurecht setzt die ExRotaprint gGmbH für den vertraglich festgelegten Zeitraum von 99 Jahre in eine eigentumsgleiche Position, einzig der Verkauf des Geländes ist ausgeschlossen. In dem Erbbaurechtsvertrag ist die Vermietung an Gewerbe, kulturelle und soziale Nutzungen zu je 1/3 der Flächen langfristig festgeschrieben. Neben Studios/Ateliers befinden sich hier Handwerksbetriebe und Werkstätten, gemeinnützige Träger für Beratung oder Weiterbildung, und eine Deutschschule für Migrant*innen. Gemeinnützige Zielsetzungen der ExRotaprint gGmbH sind der Erhalt des Baudenkmals und die Förderung von Kunst und Kultur. ExRotaprint hat einen Geldfluss etabliert, der den Profit einzelner ausschließt, die Mieten gering hält und langfristig gegen die ausgrenzenden Folgen von Eigentum im Stadtraum wirkt. “ExRotaprint stemmt sich [als soziale Plastik] gegen Abgrenzungstendenzen von Kultur und Geld.” (ExRotaprint)
Der Erhalt denkmalgeschützter Architektur und die programmatische Nutzung der Gebäude durch eine heterogene Nutzer*innenschaft erzeugt einen inklusiven und gemeinschaftlichen Ort und stellt ein Gegenmodell zu den renditeorientierten Immobilienentwicklungen in Berlin dar.
Stadt bezahlbar für Alle? Wer bezahlt?
Grafik vom Gebäude: ExRotaprint gGmbH Projektlabor – http://www.exrotaprint.de/
Die ExRotaprint gGmbH finanziert die Entwicklung des Geländes durch die Vermietung der Räume. Das Vermietungskonzept sieht die langfristige Vermietung an gewerbliche Nutzungen aus den Bereichen “Arbeit, Kunst, Soziales” vor. Wei-tere Einnahmen werden durch die kurzfristige Vermietung des Projektraums und der Gästewohnungen generiert.
Mit den Mieteinnahmen werden der jährlich an die Stiftungen zu entrichtenden Erbbauzins, Zins und Tilgung des Baukredits, laufende Sanierungsarbeiten, sowie das komplette Management und die Entwicklung des Geländes finanziert.
Wer entscheidet was?
Die Gründung der ExRotaprint gGmbH wurde mehrheitlich von den Mieter*innen auf dem Gelände beschlossen. Die gGmbH hat derzeit zehn Gesellschafter*innen, die meisten sind Mieter*innen auf dem Gelände. Elfter Gesellschafter ist der RotaClub e.V., der Verein aller Mieter*innen. Die ExRotaprint gGmbH verantwortet die Entwicklung des Geländes in allen Aspekten. Die Gesellschafter und der Vorstand des Vereins treffen sich einmal im Monat, die tägliche Arbeit an der Projektentwicklung leistet ein Planungsteam aus zwei Gesellschafter*innen und zwei Architekten.
Wieso, Weshalb, Warum?
Grafik vom Gebäude: ExRotaprint gGmbH Projektlabor – http://www.exrotaprint.de/
ExRotaprint soll ein offener Ort für alle gesellschaftlichen Gruppen sein. Im Erbbaurechtsvertrag sind die Nutzungsziele langfristig abgesichert, im Gesellschaftervertrag der ExRotaprint gGmbH ist die Gewinnverwendung festgeschrieben. Diese Bindungen gelten über die Anfangszeit des Projektes hinaus und sichern den gemeinnützigen, nicht-profitorientierten und sozial integrativen Ansatz von ExRotaprint auch in Zukunft ab.
Im Erbbaurechtsvertrag ist die paritätische Vermietung an Gewerbebetriebe, soziale Einrichtungen und Kreative für 99 Jahre festgeschrieben. Auch zukünftig muss ExRotaprint diese heterogene Vermietung erfüllen. Die Umwandlung der Flächen in Loftwohnen oder die Verdrängung einzelner Gruppen aus finanziellen Gründen wird so verhindert. Zudem schließt die Gemeinnützigkeit von ExRotaprint den Profit einzelner Gesellschafter aus und richtet den Fokus auf die Nutzung der Immobilie.
Wem gehört die Stadt?
Grafik vom Gebäude: ExRotaprint gGmbH Projektlabor – http://www.exrotaprint.de/
Die ExRotaprint gGmbH besitzt ein 99-jähriges Erbbaurecht an dem Grundstück. Durch die Trennung von Boden und Gebäude ist der Weiterverkauf des Geländes ausgeschlossen. Erbaurechtsgeber sind die Stiftungen trias und Edith-Maryon, die ExRotaprint das Grundstück gegen Zahlungs eines jährlichen Erbbauzins für 99 Jahre überlassen. Die ExRotaprint gGmbH als Erbbaurechtsnehmer ist alleinverantwortlich für alle Aspekte der Projektentwicklung, der Konsolidierung der Gebäude, der Vermietung und der Finanzierung. Als gemeinnützige GmbH ist ExRotaprint verpflichtet, Überschüsse aus den Mieteinnahmen nur in die satzungsgemäßen Ziele, den Erhalt des Baudenkmals und die Förderung von Kunst und Kultur zu investieren.
... und wie kam es dazu?
Bild: ExRotaprint gGmbH – http://www.exrotaprint.de/
2005 erarbeiten die Künstler Daniela Brahm und Les Schliesser ein Konzept zur Übernahme des Geländes durch die Mieter[e1] *innen vor Ort. Nach Gründung des Vereins ExRotaprint e.V. hat der Vorstand die Verhandlungen mit dem Liegenschaftsfonds Berlin (LiFo) aufgenommen, der das ehemalige Rotaprint Fabrikgelände meistbietend verkaufen sollte. Trotz eines offenen Bieterverfahrens, aus dem der ExRotaprint e.V. mit einem 1€-Gebot als einziger Bieter hervorging, werden vom Lifo die Verhandlungen unterbrochen und das Gelände 2006 als Teil eines Paketverkaufs einem isländischen Investor angeboten. Aufgrund der aktiven Öffentlichkeits- und Pressearbeit von ExRotaprint und durch direkte Kontakte in die Politik erhöht sich der Druck auf den LiFo. Im Februar 2007 platzt der Paketverkauf an den isländischen Investor und die Verhandlungen mit ExRotaprint werden wieder aufgenommen. Aus dem ExRotaprint e.V. heraus wird die ExRotaprint gGmbH gegründet, die die Stiftungen “trias” und “Edith Maryon” im September 2007 in den Kaufvertrag einsetzt. Am selben Tag des Kaufs wird das Erbbaurecht zwischen den Stiftungen und der ExRotaprint gGmbH abgeschlossen.
Recherche von Beatrice Terrmeer
im Rahmen des Projektlabors Selbstverwaltet Kommunal
Mit besonderem Dank an: Daniela Brahm für Durchsicht und Unterstützung