Gastbeitrag: Lieber Herr Dienstherr #Schäuble – Eine wütende Reaktion auf die Gartenräumung am #Dragonerareal


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Am 02.09.2016 berichteten wir auf unserem Blog erstmals über die zweite Räumung des Gartens auf dem Dragonerareal. Als Reaktion erreichte uns eine wütende Reaktion einer Kreuzbergerin. Diese Reaktion richtet sich an den obersten Dienstherren der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, wir wollen an dieser Stelle nicht verschweigen, welche Reaktionen uns erreichen und veröffentlichen die untige daher als Gastbeitrag.

Liebe BimA, und insbesondere lieber Herr Dienstherr der BImA.

Ich weiß, Rechtsbruch vergeltet Rechtsbruch nicht. Aber, was sind schon ein paar ausgegrabene Pflastersteine, an beiden Händen abzuzählen, verglichen mit der Missachtung demokratischer Entscheidungen, mit den Bedürfnissen tausender Kreuzbergerinnen die von Verdrängung bedroht sind und deren Existenzen auf dem Spiel stehen. Was ist mit den hunderten und tausenden Berliner_innen die sich, unbezahlt und unter steigendem ökonomischen Druck für eine gerechte Entwicklung Ihrer Stadt einsetzen? Gärten anlegen, Versammlungen einberufen, kochen, musizieren,schreiben und recherchieren?

Das alles wird wegen den Befindlichkeiten eines Finanzministers aufs Spiel gesetzt? Wirklich? Wegen Millionenbeträgen, eingestellt im Bundeshaushalt, die verglichen mit nicht fertig werdenden Flughäfen und unzähligen Steuerabschreibungsmodellen für Unternehmen und Immobilieninvestitionen Peanuts sind? Millionen, die viel besser investiert wären in eine nachhaltige soziale Infrastruktur? In sozialen Wohnungsbau, in Schulen, in Räume für Kleingewerbe und für Kultur?

Doch die Berliner_innen sind arm und frech, ungezogene Kinder, die sich gerne mal etwas aneignen, wenn sie denken, es würde ihnen zustehen. Klar, lieber Dienstherr, den gibt man keinen Cent. Erziehungsmassnahme.

Und, vermutlich bist Du moralisch erhaben: Der Berliner schwarz-rote Filz ist korrupt, da schiebt man nicht noch weitere Millionen rein. Doch, lieber Dienstherr der BImA, die Berliner Baumafia ist ein Ergebnis schwarz-roter Politik, ein durch als Wohnungsbauförderung (Abschreibungsprogramme) getarnte Subvention der Bauindustrie herangezüchtetes Kind des kalten Krieges. Doch dann: Berlin pleite. Bankenskandal. Rot-Rotes Austeritätsregime folgte.

Nach dem Ende des kalten Krieges, lieber Dienstherr, hat die Bundesregierung beschlossen, Berlin wird Hauptstadt. Wegen der Geschichte und so. Da hast Du auch mitgestimmt, und wurdest später sogar vom Berliner Senat zum Ehrenbürger ernannt, für Deinen Einsatz in dieser Frage. Die Bundesregierung, dessen Finanzminister Du bist, investierte dann Milliarden in neue Staatsarchitekturen, und jetzt auch noch in ein hässliches Stadtschloss, wo immer noch nicht so richtig klar ist, was da eigentlich rein soll. Irgendwas Repräsentatives, was buntes, andere Kulturen zum Beispiel. Blöd nur, dass es schon das Haus der Kulturen der Welt gibt, was auch nicht den Ballast einer kolonialen Sammlung tragen muss. Wo es doch einen funktionsfähigen fun-palace gab! (war der nicht auch Bundesimmobilie?) Klar, Repräsentation muss sein! Das war keine demokratische Entscheidung. Die Berlinerin wurde nie gefragt.

Die Kinder des westdeutschen Bürgertums ziehen nach Berlin sobald sie den tödlich langweiligen, und ebenfalls steuersubventionierten Eigenheimbrei westdeutscher Kleinstädte entfliehen können. Die Touristen kommen nach Berlin ‚ because its so wild and quirky.“ Auf einmal ist die biedere Nation der Sparer und Häuslebauer sexy. „You are from Berlin? Oh, I love Berlin! Its so now“ Aber now lebt von gestern. Abgeschriebene Infrastrukturen. Günstige Ressourcen für alternative Lebensmodelle und künstlerische Produktion wurden erst durch die Kulturindustrie, dann die Tourismusindustrie und dann die Immobilien und Finanzindustrie in wert gesetzt und jetzt von globalen Kapitalströmen abgeschöpft. Doch wo abgeschöpft wird, bleibt häufig eine Wüste. Eine kulturelle, eine soziale oder eine historische. O2 Arena, Townhouses, DDR und Preussendisney.

Nachdem jahrelang Immobilien in Berlin wertlos waren, und Bund und Land Filetgrundstücke verschleudert haben, versucht ihr jetzt auch noch ein bisschen mit abzuschöpfen. Doch die 36 Millionen sind nicht Eure! Denn die Quellen dieses Werts sind unsere Kreativität, unsere sozialen Beziehungen, unsere Subkulturen, unsere Lebensmodelle, die es trotz eurer Scheisspolitik gibt!

Selbst der westdeutsche Kleinstadtspiesser der mit seiner Familie ein Wochenende in berlin verbringt, das Brandenburger Tor besucht, dann die Eastside Gallery, weil er denkt, dass sei Berlin, um dann ein Konzert in der Mercedes Benz Arena anzuschauen freut sich über die verrückten Strassenmusikerinnen aus aller Welt die auf der Oberbaumbrücke spielen. Special. Ein bisschen erleichtert das Wissen, dass es auch noch das Andere gibt, irgendwelche bunten Menschen, die einen träumend aus dem Alltag ausbrechen lassen; so wie die einfache Taverne auf irgendeiner griechischen Insel mit diesem herrlichen Retsina. Ein Fenster in eine Welt, die freier sein könnte als die Matrix aus Auto, Eigenheim und Kleinfamilie.

Aber, und das schließt nicht nur Dich ein, lieber Dienstherr, sondern auch dem gemeinen Steuerzahler, der unproduktiven Berlinerin, dem Hartzer, den Künstlerinnen, den Alleinerziehenden, der kleinen Gewerbetreibenden gönnst Du ebenso wenig ihr/sein Leben, wie den faulen Griechen. Sie alle haben sich nicht Deinem Businessplan untergeordnet.

Doch wie viel, lieber Dienstherr, ist Dir eine schwarze Null wert? Jetzt versuchst Du auch noch uns gegen die vielen gerade in unserem Land neu angekommenen auszuspielen. Du willst das Sagen über die Bundesimmobilien haben, und Dir von niemanden reinreden lassen. Dafür bietest Du den finanziell sowieso schon schwer belasteten Kommunen Bundesmittel für deren Unterbringung. Wie hoch willst Du, lieber Dienstherr die politischen Kosten für diese Bundesimmobilie eigentlich treiben? Zu welchen Spekulationen möchtest du uns bewegen?

Erbost, dass Ihre Arbeit nicht wertgeschätzt wird, etwas verwundert, und auch neugierig auf das was noch kommt.

Eine Kreuzbergerin

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