Anbei dokumentieren wir hier unsere Pressemitteilung vom 05.07.2016 zum Beschluss des Berliner Senats den Rathausblock, mit dem sogenannten Dragonerareal, zum Sanierungsgebiet zu erklären. Der RBB berichtete ebenfalls.
Sanierungsgebiet Rathausblock kommt – BimA weigert sich weiter Verkauf rückabzuwickeln
Vorbereitende Untersuchung bestätigt immensen Handlungsbedarf bei wirklich bezahlbarem Wohnraum
Schriftliche Anfrage an Berliner Senat zeigt: BImA hat sehr eigenwilliges Verständnis von demokratischen Prozessen
Heute will der Senat von Berlin das Sanierungsgebiet „Rathausblock/Ruhlsdorferstraße“, in dem auch das sogenannte Dragonerareal liegt, beschließen. Damit findet eine etwa 7-monatige vorläufige Untersuchung des Gebietes ihren Abschluss. Wie der Bericht der vorbereitenden Untersuchung zeigt, mangelt es in der Nachbarschaft massiv an bezahlbarem Wohnraum, der Einfluss der öffentlichen Hand ist in diesem Gebiet mehr als unterdurchschnittlich, Verdrängungsprozesse sind nachweislich massiv im Gange, die Angebotsmieten steigen überdurchschnittlich und haben sich in den letzten 6 Jahren mehr als verdoppelt.
Stadt von Unten sieht sich deshalb in ihren Forderungen bestätigt, 100% wirklich bezahlbare Mieten für Wohnen und Gewerbe, dauerhaft abgesichert, auf dem Areal zu verwirklichen. Diese hat die Initiative auf Beteiligungsveranstaltungen während der Untersuchung mehrfach vorgebracht. Die Nachbarschaft äußerte sich bereits in einer eigenen Stellungnahme kritisch zum Konzept der in der Untersuchung aufgegriffenen sozialen Mischung, welches Verdrängung von ärmeren Haushalten legitimiert und als Rechtfertigung für die Verminderung des Anteils wirklich bezahlbarer Wohnungen im Neubau dient. Die Untersuchung untermauert eindeutig den Bedarf an Wohnungen für Geringverdienende und MieterInnen im Transferleistungsbezug.
Der Forderung nach einem Stadtteilzentrum – einem „Kiezraum“ – auf dem sog. Dragonerareal, in dem die zukünftige Nutzung des Geländes von den betroffenen (Gewerbe-) Mieter_innen und Nachbar_innen geplant und gelebt werden kann, wurde bisher nicht nachgekommen.
Außerdem bleibt ein zentraler Faktor zur Entwicklung preisgünstigen Wohnraums auf dem sogenannten Dragonerareal weiter als Damoklesschwert über allen Überlegungen schweben: Der Verkauf an die „Dragonerhöfe GmbH“ für 36 Millionen Euro, der bereits vergangenen September im Bundesrat abgelehnt wurde, ist immer noch nicht rückabgewickelt. Das Bundesfinanzministerium hält an den Verkaufsplänen fest, und lässt über seine Behörde Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wissen, die „Entscheidungsfindung sei noch nicht abgeschlossen“. Was es bei dem eindeutigen Votum des Finanzausschusses des Bundesrates noch zu entscheiden gibt, bleibt indes Geheimnis des Bundesfinanzministers und der zuständigen Staatssekretäre.
Eine Anfrage der grünen Abgeordneten Katrin Schmidberger an den Senat erhellt das unlautere Vorgehen der BImA. Der Senat zeigt sich verwundert, dass überhaupt Rückabgewickelt werden muss: „Weshalb im vorliegenden Verfahren – abweichend von der üblichen Praxis – ein sofort rechtlich bindender Vertrag geschlossen wurde, zu dem lediglich eine Rückabwicklungsklausel vereinbart wurde, entzieht sich der Kenntnis des Senats.“ Wieder wird deutlich: Das Bundesfinanzministerium und seine Behörde BImA geben nichts auf demokratische Verfahren.
Stadt von Unten fordert: Die Privatisierung muss endlich rückgängig gemacht werden! Dass Land Berlin muss eine Zweckerklärung zum sogenannten Dragonerareal abgeben, die das Gelände für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus ausweißt! So könnte die sogenannte Verbilligungsrichtlinie bei der Übernahme des Geländes vom Bund greifen: Je mehr sozialer Wohnraum geschaffen wird, desto weniger muss das Land der BImA bezahlen. 100% wirklich bezahlbare Mieten sind möglich!
Stadt von Unten fordert deshalb: Rückabwicklung und Privatisierungsstopp sofort! Kiezraum jetzt! 100% wirklich bezahlbare Mieten in Wohnen und Gewerbe!
Die vorbereitende Untersuchung zum Sanierungsgebiet bestätigt die folgenden Annahmen, auf welche wir bereits in einer Stellungnahme im Mai 2016 hingewiesen haben, damit bestätigen diese auch die Forderungen nach 100% bezahlbaren Wohnungen:
Verdrängungsprozesse: Im Bericht angeführte Untersuchungen im Erhaltungsgebiet Hornstraße haben immense Verdrängung für den Nahraum bereits belegt. Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, Zweckentfremdung durch Ferienwohnungen und Zwangsräumungen sind deshalb in jedem Fall zu vermeiden.
Mietsteigerung: Der Anstieg der ortsüblichen Vergleichs- und der Angebotsmieten ist überdurchschnittlich und hat sich in den letzten sechs Jahren verdoppelt (Berliner Mietspiegel im Vergleich 2009 zu 2015).
Zuzug: Die Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum wird sich durch Zuzug in den Bezirk weiter verschärfen, während sich ein Überangebot im hochpreisigen Segment abzeichnet (zitierte Untersuchungen zum Erhaltungsgebiet Hornstraße und Tagesspiegel 22.04.2016 „Experten warnen vor Immobilienblase“).
Einkommen und Sozialleistungen: Die Einkommen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind unterdurchschnittlich. Die Kaufkraft im Gebiet liegt im Vergleich zu anderen Stadtteilen im unteren Bereich. Die Kaufkraft Berlins im Ländervergleich ist bereits unterdurchschnittlich. (Sozialstrukturatlas Berlin 2013) Armut ist ein Teil von Berlin und ein Teil von Kreuzberg und damit auch Teil der Kreuzberger Mischung. Jede_r vierte Bewohner_in im Bezirk ist auf Sozialleistungen angewiesen. Der Anteil an Altersarmut ist überdurchschnittlich hoch. Auf absehbare Zeit sind für Berliner_innen keine größeren Lohnsteigerungen erwartbar.
Anteil öffentlicher Wohnungen: Der Einfluss der landeseignen Wohnungsbaugesellschaften im Planungsraum ist minimal und im Vergleich mehr als unterdurchschnittlich.
Anteil Sozialwohnungen: Der Anteil der Sozialwohnungen im umliegenden Stadtteil ist ebenfalls unterdurchschnittlich. Ein erheblicher Teil der Sozialwohnungen in Kreuzberg wird seine Bindung verlieren bevor überhaupt eine Wohnung auf dem sogenannten Dragonerareal bezogen werden kann. Ein weiterer erheblicher Anteil wird in den Folgejahren verloren gehen.
Instandsetzungsbedarf: Der Instandsetzungsbedarf im Untersuchungsgebiet ist hoch. Modernisierungsmaßnahmen und energetische Modernisierung mit anschließender Kostenumlage führen zu Mieterhöhungen. Es bleibt offen welche Lösungen die vorbereitende Untersuchung für die Folgeeffekte vorsieht.
WBS-Berechtigung: Auch für das Untersuchungsgebiet gilt: 55% aller Berliner_innen haben Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und damit eine Sozialwohnung (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Darüber hinaus besteht ein hoher Bedarf an Wohnraum für betreutes Wohnen und einkommensschwache ältere Menschen. Träger des betreuten Wohnens stoßen regelmäßig an ihre Grenzen bei der Vermittlung ihrer „Klient_innen“ in Wohnungen am freien Markt, da entsprechendes Angebot zu sozialen Mieten nicht vorhanden ist.
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