Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hat heute verkündet, wen er für die Nachfolge des Vorstandes der Wohnraumversorgung Berlin (WVB) vorsieht: Volker Härtig (SPD).
Diese Personalie werten wir als einen Angriff auf die soziale Mietenpolitik. Sie steht im Zusammenhang mit den Äußerungen von Frau Dr. Giffey und Herrn Saleh (SPD), die unserer Einschätzung nach versuchen, eine 180 Grad-Kehrtwende der r2g Stadtentwicklungspolitik einzuleiten.
Die WVB wurde durch den Berliner Mietenvolksentscheid als Institution erkämpft und dient der politischen Steuerung der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen. Sie war ein Kompromiss zwischen den Initiativen und der damaligen Regierung. Der bisherige Inhaber des Postens, Jan Kuhnert, war für seine Nähe zur mietenpolitischen Bewegung bekannt. Der Zweck der WVB war und ist es, zwischen Stadtgesellschaft, landeseigenen Wohnungsunternehmen und Regierung zu vermitteln. Um den Vorstandsposten ausfüllen zu können, ist deshalb eine Offenheit für zivilgesellschaftliche Positionen und Gruppen zwingend erforderlich. Diese auch in der Stellenausschreibung formulierte Qualifikation bringt Härtig eindeutig nicht mit!
„Volker Härtig hat sich in den vergangenen Jahren als ausgesprochener Gegner stadtpolitischer Initiativen aus der Zivilgesellschaft dargestellt. Den in der Koalitionsvereinbarung vorgesehenen Ausbau der Mitbestimmung bei Wohnungsneubauprojekten lehnt er ab. Wir fragen uns also, welche Qualifikationen Herrn Härtig aus Sicht des Finanzsenators für den Job befähigen,“ so Philipp Vergin, aktiv bei ›Bizim Kiez‹. „Als Bürgerdeputierter im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat er sich zum Beispiel gegen die Einrichtung der AKS Gemeinwohl ausgesprochen und damit gegen die engere und konstruktive Zusammenarbeit von Bezirk und Zivilgesellschaft.”
Wir als stadtpolitische Initiativen „rätseln“ vor diesem Hintergrund, wie es gelingen soll, mit dieser Person konstruktiv zusammenzuarbeiten. Die kooperative Zusammenarbeit zwischen Regierung und Zivilgesellschaft, die in den vergangenen Jahren z.T. möglich wurde, wird von uns als Fortschritt betrachtet. Eine Rolle rückwärts in alte, von konfrontativen Konflikten geprägte Muster wünschen wir uns nicht.
Auch aufgrund von Erfahrungen im persönlichen Umgang mit Härtig ist nun aber genau das zu befürchten. Sein notorisch geringschätzendes Verhalten gegenüber allen Formen von Bürger*innenbeteiligung kann nicht nicht zu einer kooperativen Beziehung mit Mietenaktiven führen, insbesondere nicht mit den Mieterräten und Mieterbeiräten in den Wohnungsunternehmen. Die Wohnraumversorgung ist eine Schnittstelle und ein Ort der Kooperation und die Personalie Härtig würde das aufs Spiel setzen.
Im Stadtplanungsausschuss von Friedrichshain-Kreuzberg zeigt Härtig seit Jahren, dass er einen Stil der Konfrontation, Zuspitzung und aggressiven politischen Konkurrenz pflegt. Volker Härtig steht nicht nur für männliches Dominanzgebahren, das in der rot-rot-grünen Koalition keinen Platz haben sollte, sondern explizit für die Abkehr von Partizipation und sozialer Wohnungspolitik. Auch unter diesem Aspekt ist äußerst zweifelhaft, ob er fachlich und persönlich die geforderten Qualifikationen für die Position mitbringt.
Mit Dr. Ulrike Hamann ist der zweite Vorstandsposten vor Kurzem mit einer Person besetzt worden, die durch ihre fachliche Kompetenz und ihre Bewegungsnähe überzeugen kann. Es ist also zu befürchten, dass die Arbeit der WVB durch interne Auseinandersetzungen massiv behindert wird, bzw. erscheint genau dieses jetzt die Intention der SPD zu sein.
Lisa Vollmer von Stadt von unten: „Am Dragonerareal hat Volker Härtig immer wieder gegen die Kooperation zwischen Zivilgesellschaft, Bezirk und Senat quer geschossen. Mit seiner Ernennung wird ein mühsam geknüpftes Band zwischen Regierung, Verwaltung und Stadtgesellschaft zerschnitten.“
Die unterzeichnenden Initiativen fordern Finanzsenator Kollatz auf, diese unsägliche Personalentscheidung zurückzunehmen und Jan Kuhnert im Amt zu lassen, bis ein Kompromiss zur Person gefunden ist.
Wir fordern insbesondere von Linken und Grünen, sich von der SPD nicht den neu eingeschlagenen Weg der Zusammenarbeit und sozialen Wohnungspolitik kaputt machen zu lassen. Hier geht es um weitaus mehr als eine Personalie. Diese Entscheidung stellt auch die Mietenpolitik von Linken und Grünen in Frage und bedarf mehr als Protestnoten!
Diese Forderungen zu erfüllen, wäre das notwendige Zeichen für die Fortführung einer gemeinwohlorientierten und Mieter*innen-freundlicheren Politik. Bleibt es dabei, ist diese Entscheidung nicht nur als klare Kampfansage der Berliner SPD gegenüber den Koalitionspartner*innen zu sehen, sondern auch als eine Positionierung der Koalition gegen die stadt- und mietenpolitische Bewegung sowie gegen die Mieter*innen dieser Stadt!
Unterzeichnet von:
Wir laden weitere Initiativen ein, dieses Statement mitzutragen. Gruppen, die hier aufgeführt werden möchten, schicken bitte eine E-Mail an internet@bizim-kiez.de.