Kooperationsvereinbarung: Von großen Forderungen und ersten Schritten
Seit vielen Jahren kämpfen wir um eine gemeinwohlorientierte Entwicklung des sogenannten Dragonerareals in Berlin-Kreuzberg. Im Jahr 2015 haben wir damit die Privatisierung durch den Bund an einen privaten Investor verhindert. Jetzt können wir zwei weitere Erfolge feiern: Das Grundstück ist eeeeendlich ans Land Berlin übertragen (jetzt wirklich!) und es gibt eine Kooperationsvereinbarung unter zivilgesellschaftlicher Beteiligung zur weiteren Entwicklung des Geländes und des umgebenden Rathausblock-Quartier. Die Kooperationsvereinbarung wurde am Montag, 17. Juni 2019, unterzeichnet und wir wollen sie hier kurz vorstellen und bewerten, insbesondere dahingehend inwiefern sie unseren Forderungen entspricht und was noch zu tun bleibt.
Teilhabe und Mitbestimmung im Verfahren
Es war schon sehr lang unsere Forderung, dass zivilgesellschaftliche Initiativen gleichberechtigt der städtischen Verwaltung gegenüber die zukünftige Entwicklung des Geländes mitbestimmen darf. Um diese Forderung umzusetzen wurde im vergangenen Jahr ein Übergangsgremium, der Gründungsrat, damit beauftragt eine Kooperationsvereinbarung zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft auszuhandeln. Im Gründungsrat sind Zivilgesellschaft und Politk/Verwaltung – zu gleichen Teilen vertreten – beteiligt. Die Kooperationsvereinbarung legt nun fest, dass diese gleichberechtigte Zusammenarbeit auch im weiteren Verfahren im Zukunftsrat Rathausblock und in weiteren Gremien und Arbeitsgruppen weitergeführt wird. Dass diese Art der paritätischen Kooperation aufgrund von ungleich verteilten Ressourcen und Entscheidungskompetenzen nicht automatisch zu Augenhöhe führt haben wir an anderer Stelle schon einmal ausführlich reflektiert. Auch in Zukunft wird es daher darauf ankommen auch Druck von außen auf das Verfahren zu machen, um die Stimmen zu stärken, die aktuell ihr Zuhause verlieren.
100% wirklich bezahlbare Mieten
Eine unser zentralen Forderungen war von Anfang an, dass auf dem Dragonerareal zu 100% wirklich bezahlbare Mieten in Wohnen und Gewerbe entstehen müssen. Die Kooperationsvereinbarung spricht nun von „100 % leistbarem und bedarfsgerechten Wohnraum für vielfältige Lebensmodelle“. Soweit, so gut. Was das genau im Detail heißt (vor allem in Miethöhen) und wie das umgesetzt wird, ist weiterhin offen. An Mietenkonzepten soll gemeinsame gearbeitet werden, auch hier erwarten wir in der Zukunft Auseinandersetzungen.
100% dauerhaft abgesichert und Bodenpolitik
Bezahlbare Mieten brauchen wir nicht nur heute, sondern auch morgen und für immer. Anders als im klassischen sozialen Wohnungsbau müssen sie dauerhaft abgesichert sein. Zur Umsetzung dieser Forderung gibt es in der Kooperationsvereinbarung noch keine konkreten Ideen. Es wird aber an mehreren Stellen darauf verwiesen, dass die einzelnen Flächen zur Bebauung im Erbbaurecht vergeben werden sollen. Solche Erbbaurechtverträge ermöglichen die dauerhafte Festschreibung von sozialen Zielen. Eine weitere Forderung von uns war es, dass über eine solche Bodenpolitik nicht nur gesamtstädtische Interessen z.B. durch die Verwaltung vertreten sind, sondern auch die der Mieter*innen und der Nachbarschaft. Zur Frage wie das umgesetzt werden kann sieht die Kooperationsvereinbarung eine Konzeptentwicklung vor.
Demokratisierung und Trägervielfalt
Unsere Forderungen umfassen nicht nur die Mitbestimmung bei Planungsverfahren, sondern auch die Demokratisierung der Institutionen die Wohn- und Gewerberaum bauen und verwalten, also zum Beispiel der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Um eine dauerhafte Mitbestimmung über die Nachbarschaft zu ermöglichen, bedarf es der Trägervielfalt. Nicht ein landeseigenes Unternehmen soll alle Wohnungen und Gewerbe bauen, sondern viele unterschiedliche öffentliche und kollektive Akteure. Diese zentrale Forderung wird bisher durch Regelungen im Übertragungsvertrag vom Bund an das Land blockiert, in diesem wurde ohne Notwendigkeit festgelegt, dass 90% der Fläche von städtischen Unternehmen entwickelt werden sollen. Hier sehen wir eine der größten Hürden für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung mit Vielen.
Alles in allem…
… ist mit der Kooperationsvereinbarung ein großer, aber nur ein erster Schritt gemacht. Durch 8-jähriges Nerven(aufreiben), öffentlichen Protest und kleinteilige Arbeit haben wir gemeinsam mit vielen anderen Initiativen, organisiert im Vernetzungstreffen Rathausblock, diesen Schritt und die Übertragung ans Land Berlin erkämpft. Zeit oder einen Grund zum Zurücklehnen gibt es (leider) nicht – wir bleiben mit euch dran für eine Stadt von Unten.
Initiative Stadt von Unten, 17.06.2019
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