Kritik des Vonovia-Deals der SPD – JA zu Enteignung und Vergesellschaftung

Während die Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia ihre Fusion vorbereiten, hat das Land Berlin mehr als 14.700 Wohnungen aus dem Bestand der beiden Immobilienriesen rekommunalisiert.

Vereinbart wurde dieser sogenannte Vonovia-Deal zwischen der SPD und den Vorständen von Vonovia und Deutsche Wohnen, ohne dass die bald ehemaligen Koalitionspartner*innen Grüne und Linke einbezogen wurden. Auch Informationen über Lage, Zustand und Sanierungsbedarf der Wohnungen wurden ihnen nicht mitgeteilt. Erst ein Eilantrag des Portals “Frag den Staat“ beim Berliner Verwaltungsgericht hatte zur Folge, dass die Finanzverwaltung des Senats, die bei der SPD liegt, diese Informationen veröffentlichen musste. Die Zustimmungserfordernis des Abgeordnetenhauses zum Deal wurde von der SPD ebenfalls umgangen. Denn der Preis von etwa 2,4 Milliarden Euro wird nicht mit Haushaltsgeld, sondern mit Krediten der drei Käuferinnen, der landeseigenen Unternehmen Howoge, Degewo und Berlinovo, bezahlt, die wiederum über die Mieteinnahmen aus den rekommunalisierten Wohnungen refinanziert werden. Aufsichtsrats-Chef der Berlinovo ist noch-Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), im Aufsichtsrat der Degewo und der Howoge sitzt seine Staatssekretärin Vera Junker.

Zeitgleich mit der Abwicklung dieses Deals bekämpft und diffamiert die SPD den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Die Bürgermeisterkandidatin Franziska Giffey (in deren Wahlkreis Neukölln die High-Deck-Siedlung Teil des Deals ist), wird nicht müde zu behaupten, dass das Geld für die Entschädigung der Immobilienkonzerne den Landeshaushalt belasten, und damit an anderer Stelle fehlen würde, z.B. für Neubau. Dabei gibt gerade der Vonovia-Deal ihrer Partei ein Praxisbeispiel für die Forderung der Kampagne, die Vergesellschaftung haushaltsneutral zu gestalten. Auch sie schlägt vor, kein Haushaltsgeld für die Enteignung auszugeben, sondern Schuldscheine, die eine Abbezahlung der Entschädigungssumme über die Mieten der enteigneten Wohnungsbestände für 40 Jahre garantieren. Das Land Berlin könnte unabhängig von der Tilgung dieser Schuld problemlos Geld für Neubau ausgeben. Es gibt allerdings einen wichtigen Unterschied: die Schulden für die Enteignung würde die neue Verwaltungskörperschaft der enteigneten Wohnbestände abbezahlen, die keinen Auftrag hat, zeitgleich neu zu bauen. Die Schulden des Vonovia-Deals aber belasten die landeseigenen Wohnungsunternehmen, die in den kommenden Jahren sehr wohl für mehr bezahlbaren Neubau in öffentlicher Hand sorgen müssen (ganz zu schweigen von der Sanierung der rekommunalisierten Häuser…). Bei einer Enteignung wäre es also nicht das Geld für die Entschädigung, sondern das Geld für den Deal der SPD, das dem Land Berlin für notwendigen bezahlbaren Wohnungsneubau fehlen könnte.

Und auch ein weiteres, gern von der SPD zitiertes Argument gegen den Volksentscheid wird durch ihren Vonovia-Deal relativiert: dass die Entschädigungssumme viel zu hoch sei.

Die Rechnungsmodelle und politische Argumentationslinie der Enteignungskampagne können glaubhaft zeigen, dass eine Entschädigung für die Enteignung von 240.000 Wohnungen nicht mehr als 10-11 Milliarden kosten muss. Das wären etwa 45.800 Eur pro Wohnung. Die SPD behauptet hingegen eine Entschädigungssumme von nicht unter 30 Milliarden, und damit einen Preis von mindestens 125.000 Euro pro Wohnung. Für eine Wohnung in ihrem Vonovia-Deal fallen jedoch durchschnittlich etwa 163.000 Eur an.

Das bedeutet, dass für den Deal der SPD mit den Immobilienkonzernen pro Wohnung ein höherer Betrag gezahlt wird, als dies bei der höchstgenannten Entschädigungssumme für die Enteignung der Fall wäre.

Dass der Vonovia-Deal ein wahlkampftaktisches Manöver der SPD ist, um die Partei zu profilieren und dem Enteignungsvolksentscheid den Wind aus den Segeln zu nehmen, liegt auf der Hand. Wie verlogen die Mittel sind, die die Partei dafür anwendet, und dass sie erneut – nach dem einstigen billigen Abverkauf derselben Bestände, die sie nun teuer zurückkauft – bereit ist, das Wohlergehen der jetzigen und zukünftigen Stadbewohner*innen aufs Spiel zu setzen, ist ein Skandal. Beides rückt die SPD in das rechte Licht: eine Partei, der kein Geschäft zu schlecht ist, um ihren Machterhalt zusammen mit den Interessen der Immobilienkonzerne zu gewährleisten, und keine Behauptung zu falsch, um das als Politik für die Mieter*innen zu verkaufen. Eine Partei, die mit dem Boden und mit den Gebäuden dieser Stadt genauso unverantwortlich umgeht, wie die Spekulant*innen, denen sie Tür und Tor öffnet. Eine Partei, die beim Vorkaufsrecht die nötigen Gelder zurückhält und bei der gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung mauert, die die Selbstorganisierung der Mieter*innen verachtet, und deren Mitbestimmung bei der Verwaltung ihrer Wohnungen aktiv behindert. Eine Partei, die in ihrer jahrzehntelangen autoritären und marktradikalen Ausprägung bei der CDU und der FDP in bester Gesellschaft ist.

Wir sind organisierte Mieter*innen in den rekommunalisierten Beständen des Vonovia-Deals, aktivistische Mieter*innen, die sich für Mitbestimmung und Selbstverwaltung einsetzen, und Mieter*innen, die sich in den Beiräten der landeseigenen Wohnungsunternehmen engagieren. Wir kennen die Probleme in unseren Häusern und Kiezen, weil wir seit Jahren an nachhaltigen Lösungen für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung arbeiten. Die Ausweitung der kommunalen Bestände – zusammen mit einer Vertiefung von Mitbestimmung und der Förderung von Selbstverwaltung in ihnen – sowie der Entzug von Häusern aus der Spekulation durch Genossenschaften und Community-Land-Trusts sind für uns Mittel, um den Markt aus der Wohnraumversorgung zurückzudrängen. Damit das Wohnen keine Ware sein kann – nicht mehr und nie wieder.
Wir freuen uns mit unseren Nachbar*innen in den rekommunalisierten Häusern am Kottbusser Tor, in der High-Deck- und der Thermometersiedlung, im Falkenhagener Feld, an der Brusebergstr., der Landsberger Chaussee und in der ganzen Stadt, und senden ihnen solidarische Grüße. Zugleich verurteilen wir SPD und Vonovia / Deutsche Wohnen, die Hand in Hand die Existenzängste und Hoffnungen der Menschen in all diesen Häusern instrumentalisiert haben, um auf Kosten derjenigen, die in Zukunft die Schulden des Deals werden schultern müssen, ihre eigenen Macht- und Profitinteressen durchzusetzen. Der Vonovia-Deal hat weder mit ökonomischer Weitsicht, noch mit politischer Solidarität mit den Stadtbewohner*innen zu tun, sondern nur mit der Solidarität zwischen der SPD und dem Immobilienkapital.

Wir hingegen rufen dazu auf, mit allen Stadtbewohner*innen Berlins – den jetzigen und den zukünftigen – wirklich solidarisch zu sein, und am 26. September beim Volksentscheid zur Enteignung von Deutsche Wohnen & Co mit JA zu stimmen. Die Stadt darf nicht den Immobilienspekulant*innen und ihren Parteien überlassen werden. Sie gehört in die Hand der Menschen, die mit ihren Löhnen die Häuser und ihre Sanierung abbezahlen, und mit ihren Arbeiten die Kieze mit Leben füllen. Um in Berlin den Trend der steigenden Mieten zu stoppen und die Stadtentwicklung auf das Gemeinwohl auszurichten, ist die Vergesellschaftung der Bestände von Deutsche Wohnen & Co nötig, möglich und legitim. Damit wir in unserem Zuhause bleiben und Berlin unser Zuhause bleibt.

 

Unterzeichner*innen:

Kotti & Co

Stadt von Unten

K40 im Block*89

K46 im Block*89

F4 im Block*89

F8 im Block*89

Initiativgruppe der Berliner Mieterbeiräte und die Sprecher der Initiativgruppe Detlev Lezim, Alfons Schröder und Eberhard Elsing

Veröffentlicht in Allgemein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert