zur Besetzung des Dragonerareals durch Potse & Drugstore
Heute, am 28.06.2020, hat eine Gruppe von stadtpolitischen Aktivist*innen kurzzeitig ein Gebäude auf dem Dragonerareal besetzt. Wir, als stadtpolitische Initiative Stadt von Unten, nehmen diese Besetzung gemischten Gefühlen wahr. Einerseits haben wir uns gefreut, dass andere stadtpolitische Gruppen das Gelände als Ort wählen, um ihn mit ihren Kämpfen zu verbinden. Wir unterstützen nicht nur das konkrete Anliegen von Potse und Drugstore einen Raum für ihr Jugendzentrum zu finden, sondern fordern selbst seit Jahren, dass es in dieser Stadt mehr Räume für unkommerzielle soziale Orte, für Jugendliche und andere Gruppen, braucht und setzen uns dafür ein, das solche auf dem Dragonerareal entstehen. Neben dem Fehlen von wirklich bezahlbarem Wohnraum ist es die Verdrängung von genau solchen Orten, die uns dazu gebracht hat, in einem zähen Kampf die Privatisierung des Geländes zu verhindern und seine sozial gerechte Entwicklung in einem nervenaufreibenden Kooperationsverfahren voranzutreiben.
Andererseits ist es eben dieser Prozess, der uns nun ambivalent auf die Besetzung blicken lässt. Und das aus zwei Gründen: Erstens war es eine unserer Forderungen gegenüber der BIM, der derzeitigen Eigentümerin (Berliner Immobilienmanagement, Land Berlin), dass leerstehende Gebäude zunächst nicht (zwischen-)vermietet werden. Denn diese Räume werden als Umsatzflächen für die jetzigen Gewerbemieter*innen des Areals benötigt. Während der Bebauung des Dragonerareals müssen einzelne der Gewerbebetriebe, darunter viele kleine Autoschrauber, temporär umgesiedelt werden, um am Schluss in eine gemeinsame Gewerbehalle einzuziehen. Und zweitens haben wir von Anfang an betont, dass eine transparente Vergabe noch freier Flächen nach gemeinsam entwickelten sozialen Kriterien unerlässlich ist, damit nicht nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, malt zuerst“ vergeben wird, bei dem Gruppen, die keine Ressourcen haben sich frühzeitig selbst zu organisieren, immer den Kürzeren ziehen.
Die Besetzung unterläuft diese Positionen, die wir in jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Ort entwickelt haben. Trotzdem ist das Anliegen von Potse und Drugstore natürlich berechtigt. Gemeinsam ist unserem und ihrem Kampf ein viel größeres Problem: Berlin hat seine Flächen und Gebäude so lange ausverkauft, dass nun kaum noch etwas vom Kuchen, geschweige denn von der Bäckerei, übrig ist. Nun sollen sich alle auf die kleinen Kuchenstücke quetschen, die noch vorhanden sind und laufen dabei Gefahr gegeneinander ausgespielt zu werden? Nicht mit uns: es geht immer noch um die ganze Bäckerei! Um Platz für all die sozialen Projekte, von Verdrängung bedrohten Kleingewerbe und Wohnmieter*innen ohne tiefen Geldbeutel, für Autoschrauber und autonome Jungendzentren, ist ein Dragonerareal ist nicht genug. An allen Ecken und Ende der Stadt müssen wir für diesen Raum kämpfen, ein Modellprojekt bringt wenig, wenn es nicht über sich hinaus wirkt. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg haben wir damit begonnen: In der Kampagne „100% Friedrichshain-Kreuzberg, 100% Bezahlbar“ setzen wir uns dafür ein, dass alle noch unbebauten Gelände im Bezirk für wirklich bezahlbaren Wohnraum, bezahlbare Gewerberäume, soziale Projekte und Grünflächen für die Nachbarschaft genutzt werden.