Kommunal ist nicht genug! – Übertragungsvertrag zum Dragonerareal frisst Modellprojekt.
Gemeinsam haben stadtpolitische Initiativen, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und die Senatsverwaltung für Finanzen die Privatisierung des sogenannten Dragonerareals durch den Bund verhindert. Nun steht die Übertragung des Areals an das Land Berlin bevor und damit eine Kommunalisierung des Grundstücks.
Doch wir stadtpolitische Initiativen argumentieren: eine solche Kommunalisierung ist nicht genug! Sie schützt nicht nachhaltig vor profitorientierter Verwertung und auch nicht vor Reprivatisierung. Deshalb fordern wir ein innovatives Eigentumsmodell auf dem Dragonerareal – wie in der Koalitionsvereinbarung des Senats auch zugesichert. Dieser Modellcharakter droht momentan vom seit einem Jahr laufenden, aufwendigen Kooperationsprozess aufgefressen zu werden.
Bisher wurden inhaltliche Zusagen zur Entwicklung des Geländes von den beteiligten politischen Akteuren – Senatsverwaltung für Finanzen, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bezirk – weitgehend verweigert. Stattdessen sollen am Kooperationsprozess vorbei Festlegungen getroffen werden. So zum Beispiel im Übertragungsvertrag von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) an das Land Berlin.
Die BImA mischt sich weiter ein: statt einzusehen, dass ihre unsoziale Privatisierungspolitik im Bundesrat überstimmt wurde und auf dem sogenannten Dragonerareal ein Modellprojekt für bezahlbaren Wohnraum entstehen soll, versucht sie dem Land Berlin weiter reinzuregieren. Noch immer ist die Übertragung an das Land Berlin nicht abgeschlossen, ein Vertragsentwurf dazu liegt auf den Tischen. Dieser Vertragsentwurf frisst das versprochene Modellprojekt.
Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz behauptet eine Übertragung sei nur möglich, wenn man der BImA vertraglich zusichere, dass 90% der Fläche des Geländes von landeseigenen Unternehmen entwickelt würden – nur 10% würden dann für alles andere bleiben, darunter selbstverwaltete Projekte oder Genossenschaften. Dass dazu mit den BImA-Richtlinien im neuen Bundeshausgesetz kein Zwang mehr besteht, hat mittlerweile der Senat selbst schon erkannt. Trotzdem hält Kollatz an der Regelung fest und rechtfertigt sie öffentlich damit, dass sie Privatisierung verhindere.
Die seit Jahren aktiven stadtpolitischen Initiativen rund um das sogenannte Dragonerareal und das Sanierungsgebiet Rathausblock widersprechen dieser Sicht und fordern, dass die 90/10 Regel aus dem Vertrag zwischen BImA und Land Berlin gestrichen wird. Sie argumentieren, dass kommunal nicht genug ist: nicht genug um zukünftige Privatisierung auszuschließen und nicht genug um einer langfristige soziale Ausrichtung zu garantieren. Nur eine Demokratisierung der landeseigenen Wohnungsunternehmen und eine substantielle Mieter_innenmitbestimmung schließt auch in Zukunft eine Privatisierung aus. Denn nur die Repräsentanz der Interessen der Mieter_innen in ihren Wohnungsunternehmen garantiert auch unter veränderten politischen Vorzeichen, dass die LWUs nicht wieder privatisiert werden und dass sie nicht zur Quersubventionierung des Haushalts missbraucht werden.
Gleichzeitig ist eine Trägervielfalt für die nachhaltige und soziale Versorgung mit Wohnraum zentral: Genossenschaften und andere nicht-profitorientierte Träger waren und sind wichtige Akteure, die langfristig abgesicherten Wohnraum bereitstellen. Ihnen muss in der Berliner Wohnungspolitik endlich neben den LWUs eine zentrale Rolle eingeräumt werden.
Ein Modellprojekt, wie es der Koalitionsvertrag „in Kooperation zwischen Bezirk, städtischen Wohnungsbaugesellschaften und gemeinwohlorientierten freien Trägern“ (Link zum .pdf) verspricht, ist mit der 90/10 Regel unmöglich, weil faktisch kein Platz für letzter Gruppe bleibt. Ein Modellprojekt ist nicht einfach die Addition von 90% kommunalem Wohnungsbau wie gehabt und 10% netten Projektchen. Die Forderung nach einem Modellprojekt war von Anfang an die Integration kommunaler und selbstverwalteter Elemente geknüpft – angefangen bei der Bodenfrage. Die stadtpolitischen Initiativen haben sich nicht jahrelang engagiert, um ein paar Projektorchideen für ein paar Glückliche zu schaffen. Ihnen geht es um strukturelle Veränderungen der Wohnungsversorgung: um eine Demokratisierung der landeseigenen Wohnungsunternehmen und eine Verbreiterung der Prinzipien selbstverwalteter Projekte. Nur so können 100% bezahlbare Mieten langfristig abgesichert werden.
Den stadtpolitischen Initiativen geht es also nicht darum für sich Hausprojekte zu reklamieren: Es geht um nichts anderes als die Zukunft der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin.
Verstaatlichung macht noch keine Stadt von unten – kommunal ist nicht genug!
Der Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün zum Dragonerareal
Dragoner-Areal: Die Koalition beabsichtigt, das Dragoner-Areal in Landeseigentum zu überführen und dort ein Projekt für preisgünstiges Wohnen und Arbeiten (Kleingewerbetreibende und Kreativwirtschaft) in Kooperation zwischen Bezirk, städtischen Wohnungsbaugesellschaften und gemeinwohlorientierten freien Trägern mit umfassender Bürgerbeteiligung umzusetzen.
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