Mit 100% gegen den Mietenwahnsinn // Redebeitrag und Aufruf zur Demonstration am 09.09.2017

Liebe Freunde, liebe UnterstützerInnen,

an dieser Stelle veröffentlichen wir vorab unseren Redebeitrag für die Demonstration „Wem gehört die Stadt? – Solidarisch gegen hohe Mieten & Zwangsräumungen! – Für die Stadt von unten!“ am 9. September. Die Demonstration startet um 14:00 am Oranienplatz  in Kreuzberg und wir hoffen viele von Euch dort zu sehen. Mit der Beteiligung an der Organisation der Demonstration unterstützen wir auch aktiv die Kampagne „#Mietenwahnsinn_stoppen“.

Mit 100% gegen den Mietenwahnsinn

Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind in den Städten und auch in Berlin nicht zu übersehen. In den Innenstadtbezirken, und nicht nur dort, steigen die Mieten ständig. Verdrängung von Mieter*innen ist an der Tagesordnung. Oft genug helfen staatliche Institutionen in Form von vermieterfreundlichen Gesetzen und mit der Durchsetzung von Zwangsräumungen auch noch mit. Rassistische Diskriminierung und der Ausschluss von Menschen aus den Innenstädten fängt für viele schon früher an, zum Beispiel bei der Wohnungsuche. Besonders hart trifft es diejenigen die wenig Einkommen haben oder Hartz IV beziehen.

Mitverursacht wird das nicht nur durch Deregulierungen, Steuersenkungen für Vermögende und den sozialen Kahlschlag der letzten Jahrzehnte. Ursache ist auch das Verscherbeln öffentlicher Immobilien und Grundstücke zum Höchstpreis. Dies ist Teil der Umverteilung des Reichtums von unten nach oben. Auch dadurch fehlen dauerhaft gute Wohnungen mit wirklich sozialen Mieten.

Die verkauften Wohnungen werden stattdessen ein nächstes hochpreisiges Anlageobjekt für überschüssiges Kapital. Befeuert wird zusätzlich die spekulative Verwertung von städtischen Grund und Boden. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) nimmt in dieser Privatisierungspolitik eine Vorreiterinnenrolle ein – und das nicht nur in Berlin. Sie versuchte das sog. Dragonerareal mitten in Kreuzberg in den letzten Jahren mehrmals zum Höchstpreis an private Investoren zu verkaufen. Diese Investoren planten  – ganz kreativ – Einkaufscenter oder Eigentumswohnungen.

Wir – die Initiative Stadt von Unten –  haben uns als Nutzer_innen des Geländes, als Nachbar_innen und als Teile der Stadtgesellschaft organisiert und diesem Wahnsinn widersprochen. Wir haben gegen die Privatisierung des sog. Dragonerareals gekämpft und gewonnen. Dieses Frühjahr konnten wir endlich einen kleinen Teilerfolg feiern: Das Gelände wird nicht privatisiert, sondern an das Land Berlin übertragen.

Wir wollen auf diesem Gelände mitten in Berlin ein Modellprojekt „Selbstverwaltet und Kommunal“ durchsetzen. Ein Modellprojekt mit 100% wirklich bezahlbaren Mieten, mit demokratischer Teilhabe und mit dauerhafter Absicherung gegen Privatisierungen. Das soll keine Insel der Glückseligen sein während drumherum aufgewertet wird. Dieses Projekt, soll sich ausbreiten, über sich hinauswachsen. Es soll eine konkrete Utopie werden. Diese Utopie soll im Hier und Jetzt aufzeigen, wie Stadtentwicklung jenseits von Profitlogik und technokratischer Planung funktionieren kann.

Doch der Privatisierungsstopp am Rathausblock zeigt auch: Der Ausverkauf der Stadt ist nicht alternativlos. Die sozialen Proteste der letzten Jahre konnten in Berlin noch ein paar weitere Zugeständnisse durchsetzen. Aber der Richtungswechsel hin zu einer wirklich sozialen Wohnungspolitik ist bisher weder hier noch anderswo wirklich zu erkennen.

So stagnieren die Verhandlungen zwischen dem Bund und Berlin über den Erwerb von mehr als 4000 vermieteten Wohnungen. Die Übertragung geht nicht voran, vor allem weil auch hier die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben überhöhte Preise verlangt. Der Bund verweigert sich einer neue Liegenschaftspolitik die wirklich bezahlbaren Wohnraum in den Mittelpunkt stellt.

Auf Bundesebene passiert auch an anderen Stellen nichts: Die sogenannte Mietpreisbremse ist nichts als ein schlechter Scherz und die derzeitige Förderung des sozialen Wohnungsbaus geht völlig am eigentlichen Problem vorbei. Die bisherige Förderung sichert die Profite der privaten Immobilienwirtschaft, anstatt sie zu beschränken. Währenddessen entwickelt sich die Wohnungsnot in unseren Städten bundesweit zu einer sozialen Katastrophe. Die Wohnungsnot wird zum Dauerzustand. So kann es nicht mehr weitergehen!

Wir unterstützen deshalb ausdrücklich die Forderungen der bundesweiten Kampagne „#Mietenwahnsinn_stoppen“. Dazu gehören auch eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit und ein Ende der Umlage der Modernisierungskosten auf die MieterInnen.

Die Kampagne ist an diesem Wochenende in Berlin, Nürnberg, Potsdam, im Ruhrgebiet, in Frankfurt und Hannover mit Aktionen sichtbar. Sie fordert konkrete Verbesserungen für die MieterInnen und “ Bezahlbare und gute Wohnungen für alle!“

Wohnen ist ein grundlegendes soziales Recht. Wohnraum als Waren zu verwerten heißt, dieses Recht auf Stadt all denen zu verwehren, die es sich nicht leisten können. Das lehnen wir entschieden ab. Wohnraum muss als soziale Infrastruktur allen zur Verfügung stehen, die ihn brauchen. Wir fordern nicht nur eine einfache Rekommunalisierung, denn wir wollen nicht zurück zum autoritären “sozialen” Wohnungsbau der Vergangenheit. Wohnraum muss selbstverwaltet UND kommunal werden. Auf dem sog. Dragonerareal in Kreuzberg wollen wir zeigen und erproben, wie Stadtplanung als gemeinschaftlicher Prozess neu gedacht und gemacht werden kann.

Wir fordern eine 100% wirklich bezahlbare, zugängliche und langfristig sichere, vielfältige, glitzernde und lebenswerte Stadt von heute und morgen!

Aus diesen Gründen sind wir Teil der Demonstration, um dafür politischen Druck zu machen.

Initiative Stadt von Unten, 07.09.2017

Demonstration: “Wem gehört die Stadt? – Gegen hohe Mieten und Zwangsräumungen” am 09.09.2017 // 14:00 Oranienplatz

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Demonstration – 9. September 14 Uhr – Oranienplatz (Kreuzberg)
Wem gehört die Stadt? – Solidarisch gegen hohe Mieten & Zwangsräumungen! – Für die Stadt von unten!

Am 8. September gibt es einen bundesweiten und dezentralen Aktionstag der Kampagne “Mietenwahnsinn stoppen”. Und am 9. September wollen wir gemeinsam mit Euch auf die Straße gehen und die Frage „Wem gehört die Stadt?“ praktisch beantworten. Kommt mit uns auf die Straße! Seid an beiden Tagen wütend, laut, kreativ und rebellisch!

Und nach der Demo zum Kiezfest in der Reichenberger Straße.

Weitere Informationen und der Aufruf unter: http://wirbleibenalle.org/

Wir sind UnterstützerInnen des bundesweiten Zusammenschluss Mietenwahnsinn stoppen!

Wir sind UnterstützerInnen des bundesweiten Netzwerk Mietenwahnsinn stoppen. Was dieses fordert findet ihr in diesem Aufruf. Und Außerdem: Am 08. und 09. September 2017 ist Aktionswochende! In Berlin wird daher in diesem Rahmen eine Demonstration unter dem Motto „Wem gehört die Stadt?“ um 14:00 am Oranienplatz starten.


Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind unübersehbar: In den meisten Stadtregionen steigen die Mieten unaufhörlich; Verdrängungen durch Modernisierungsmaßnahmen sind alltäglich. Zwangsräumungen haben stark zugenommen. Renditeorientierte Vermieter*innen lassen ihre Wohnungen verkommen. Vermietungskonzerne erfinden immer neue Kostentricks. Rassistische Diskriminierung und Hartz IV-freie Innenstädte sind Normalität.

Gleichzeitig wehren sich immer mehr Mieter*innen in Initiativen und Mieter*innenvereinen. Sie protestieren und konfrontieren die Politik und Wohnungsunternehmen mit ihrer Situation. Auch die meisten Politiker*innen bezweifeln diesen Zustand nicht.

Es sollte daher längst etwas Wirksames geschehen sein. Dem ist aber nicht so. In der letzten schwarz-roten Bundesregierung gab es eine Reihe von Änderungen, die angeblich das Los der Mieter*innen und Wohnungssuchenden erleichtern sollten:

Die Mietpreisbremse wirkt jedoch nicht. Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus bietet keine Antwort auf den extremen Mangel an preisgünstigen Wohnraum. Sie sichert die Gewinne der privaten Wohnungsunternehmen. In einigen Kommunen konnten Proteste Zugeständnisse durchsetzen. Aber ein Richtungswechsel hin zu einem grundlegenden Wandel der Wohnungspolitik ist nicht zu erkennen.

Wir stellen fest: Das ist viel zu wenig. Uns reicht es. Wir verlangen eine Wohnungspolitik, die an den Bedürfnissen der Bewohner*innen orientiert ist. Wohnen ist ein Menschenrecht. Unser (langfristiges) Ziel ist die Vergesellschaftung von Wohnraum – ein erster Schritt dahin ist die Schaffung eines nicht marktförmigen, nicht profitorientierten Wohnungssektors.

Wir – Mietervereine, Mieter*inneninitiativen, „Recht auf Stadt“-Netzwerke und weitere soziale Organisationen – fordern:

1. Neue Wohnungsgemeinnützigkeit

Wir fordern die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit als Alternative zur renditeorientierten Wohnungswirtschaft. Die soziale Zweckbindung dieser Wohnungen muss dauerhaft sein und soll durch steuerliche Förderung, Privilegien bei der Grundstückvergabe, öffentliche Zuschüsse und Kredite gefördert werden.

2. Mietenanstieg stoppen!

Wir fordern eine wirksame, flächendeckende Begrenzung des Mietenanstiegs
durch rechtlich verbindlich Mietspiegel, die das tatsächliche Mietenniveau aller Wohnungen abbilden
durch eine verschärfte und flächendeckende Mietpreisbremse ohne Ausnahmen
durch eine bundesweite Begrenzung von Mieterhöhungen auf den Inflationsausgleich
durch konsequente Ahndung von unzulässigen Mietpreisüberhöhungen und Mietwucher nach § 5Wirtschaftsstrafgesetz und § 291 Strafgesetzbuch.

3. Keine Verdrängung durch Modernisierung!

Die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete (§559 BGB) muss abgeschafft werden.

4. Zwangsräumungen verhindern! Kündigungsschutz verbessern!

Wir fordern einen wirksamen Kündigungs- und Räumungsschutz für Mieter*innen, der die Aufweichung von Mieter*innenrechten zurücknimmt und soziale Notlagen berücksichtigt.

5. Leerstände beenden!

Wir fordern, dass die Vermietung von spekulativem Leerstand erzwungen werden kann. Instandbesetzungen müssen legalisiert werden

6. Neuausrichtung der Bodenpolitik

Wir fordern, dass der Ausverkauf öffentlicher Liegenschaften und Wohnungsbestände gestoppt und umgekehrt wird. Öffentliche Liegenschaften müssen für Wohnen und soziale Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden.

7. Wohnungsunternehmen demokratisieren! Kollektive Mieter*innenrechte schaffen!

Wir fordern kollektive Mieter*innenrechte in allen Wohnungsunternehmen und echte Mieter*innen-Mitbestimmung im öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungssektor.
Wir werden in unseren Wohnvierteln, auf der Straße, vor den Parlamenten wie den Zentralen der Wohnungsunternehmen und auf Fachveranstaltungen gemeinsam für diese Forderungen eintreten.

Nur politischer Druck von unten kann konkrete Verbesserungen für Mieter*innen und eine grundlegend neue Wohnungspolitik durchsetzen.

2.Aktionstag der Kampagne am 8.September