Stadtplanung als gemeinschaftlicher Prozess
Wir verstehen unser Modellprojekt für eine Stadt von unten als konkreten Entwurf für eine andere Stadt, aber auch als einen Gegenvorschlag für eine kollektive und kooperative Planung und Stadtentwicklung.
Unser Prozess und unsere Vorstellung von Stadtentwicklung ist nicht vollständig ergebnisoffen. Wir wollen keine hohen und immer weiter steigenden Mieten, keine Verdrängung von Mieter_innen und Gewerbe, kein gewaltsames Verschwinden von lang gewachsenen Strukturen und Beziehungen in unseren Kiezen, keinen ständig wachsenden Verwertungsdruck, der in alle städtische Räume übergreift und nicht-kommerzialisierten Beziehungen und Räumen zunehmend die (ökonomische) Existenzgrundlage entzieht.
Unsere 100-Prozent-Forderungen wollen die kapitalistischer Stadtentwicklung ausbremsen und die Grundlage für eine andere, an den realen Bedürfnissen der Stadtbewohner_innen orientierte Stadtplanung sein.
Das politisch modellhafte des Modellprojekts „Selbstverwaltet & Kommunal“ besteht nicht nur in dem Ergebnis eines Entwurfs für eine andere Stadt, nicht nur in konkreten Inhalten, sondern auch darin, Planungs- und Entscheidungsprozesse anders zu denken. Entscheidungsbefugnisse für die Entwicklung städtischer Räume sollten nicht per Eigentumstitel vergeben werden, wie es die kapitalistische Stadtentwicklung gegenwärtig vorsieht.
Entscheiden können sollen vielmehr die, die städtische Räume wie das Dragonerareal nutzen – also beispielsweise: dort arbeiten, wohnen, abhängen, Tomaten anbauen, sehen und gesehen werden oder ihre Kontakte pflegen wollen.
Unsere Vorstellung einer Planung von unten ist ein vergesellschafteter Prozess des Lernens, Planens und Entscheidens, mit und von all denen, die ein Interesse haben an einer anderen – nicht von Verwertungsdruck getriebenen – Stadt(-entwicklung).
Die Vergesellschaftung, die eine Stadtplanung von unten möglich macht, beginnt bereits beim Planungsprozess. Durch kollektivere Teilhabe- und Beteiligungsstrukturen sollen gerade diejenigen Gruppen einbezogen werden, die gegenwärtig mit ihren Bedarfen marginalisiert, ausgeschlossen und verdrängt werden.
Wir stellen uns Stadtplanung von unten als einen kollektiven Lernprozess vor, in dem mögliche Methoden und Modelle zur Umsetzung der durch die Nutzer_innen formulierten Wünsche und Bedürfnisse geteilt und diskutiert werden. Dabei steht im Zentrum und am Anfang eines jeden kollektiven Prozesses die gemeinsame Erarbeitung und Weitergabe von Wissen, das für die Mitgestaltung und kollektive Aneignung von Stadt nötig ist.
Neben Fach- und Planungswissen gehört dazu das Alltagswissen derjenigen, die die Stadt durch ihre Praktiken als soziales und physisches Gebilde herstellen, ebenso wie die verschiedenen Sprachen, mit denen Wirklichkeit und die Stadt beschrieben wird.
Praktisch heißt das, in einen Austausch mit anderen Initiativen zu treten, Anlieger_innen zu befragen, gemeinsam bei anderen Projekten nach Inspirationen zu suchen, Filme, Pläne, Zeichnungen und Bücher zu Rate zu ziehen und dabei gemeinsame Begriffe zu entwickeln.
All dies tun wir bereits seit mehreren Jahren und lange bevor jedes offizielle „Beteiligungsverfahren“ um das sogenannten Dragonerareal begonnen hat: Wir stecken schon mittendrin – und mit unseren Forderungen nach einem Modellprojekt „Selbstverwaltet & Kommunal“ beteiligen wir (uns) schon längst!
Da es die Form und die Sprache eines solchen Prozesses erst noch gemeinsam zu entwickeln, sich ihr anzunähern gilt, ist es zentral, dass eine solche kollektive Entwicklung nicht von Planungsentscheidungen überrollt wird, die Entscheidungsmöglichkeiten an entscheidenden Stellen einschränken. Vielmehr muss eine Planung von unten es erlauben, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in den Planungsprozess zu intervenieren und die grundlegenden Bedingungen mitzubestimmen.
Ein solcher, kollektiv getragener Planungs- und Entscheidungsprozess braucht Zeit und Raum. Die Beteiligung und Organisierung, die einen solchen Prozess tragen, brauchen Zeit, ebenso die Suche nach geeigneten Formen und Formaten.