Selbstverwaltet & Kommunal. Bezahlbarkeit und Demokratisierung für alle!
Probleme der aktuellen Selbstverwaltete und Kommunale Strukturen
Es gab und gibt in der Geschichte der Stadtentwicklung immer wieder Versuche, eine marktförmige Wohnraumversorgung zu überwinden. Dazu zählen zum Beispiel kommunale Wohnungsbaugesellschaften und selbstverwaltete Wohnprojekte. Beide Institutionen sind wichtige Bezugspunkte für unser Modell, weil sie die Ergebnisse von sozialen Kämpfen für eine bessere Wohnraumversorgung sind. Beide stoßen aber an verschiedene Grenzen und können bis heute keine breite, demokratisch organisierte und wirklich bezahlbare Wohnraumversorgung bieten.
Selbstverwaltete Strukturen treffen an zweierlei Grenzen: zum einen erfordern sie sehr viel Engagement und soziales Kapital der daran Beteiligten. Nicht alle Menschen können oder wollen das aufbringen. So entstehen in rein selbstverwalteten Häusern oft linke, subkulturell und/oder akademisch geprägte Projektinseln, die sozial ausgrenzend wirken. Eine weitere Grenze vieler dieser Projekte ist, dass sie auch strukturell nur schwer über sich hinaus wirken. Ist die Lebenssituation der in den Häusern Lebenden erst einmal gesichert, besteht oft kein Anreiz mehr, das Vorhaben auszuweiten und weiteren Wohnraum dem Markt zu entziehen. Ähnliche Probleme stellen sich bei Genossenschaften ein, die zwar ursprünglich als Institutionen solidarischer Selbsthilfe entstanden sind und meist über deutlich größere Ressourcen verfügen, langfristig aber nur im Interesse bzw. zur Versorgung ihrer Mitglieder agieren und sich auf diese Weise häufig zu alternativen Kapitalgesellschaften zurückentwickeln. Auch hier sind die Zugangshürden aufgrund der Notwendigkeit, Anteile zu erwerben, oft sehr hoch. Ein Dilemma solcher Strukturen selbstverwalteten Wohnens ist also, dass sie in den Nischen und „Rissen“ kapitalistischer Stadtentwicklung zwar entstehen und auch überleben können, es ihnen aber nicht gelingt, diese aufzubrechen und auf breiter Basis Wohnraum zu vergesellschaften. Sich selbst also die linke Insellage zu sichern, während alle anderen um einen rum verdrängt werden? Das kann nicht unsere Antwort sein.
Gleichzeitig können wir auch nicht einfach den Ausbau des kommunalen Wohnungssektors fordern. Hier besteht zwar prinzipiell die Möglichkeit öffentlicher Kontrolle und vor allem der Breitenwirksamkeit, die selbstverwalteten Projekten fehlt. Erstens sind die städtischen Wohnungsbaugesellschaften aber – wo sie nicht gleich ganz privatisiert wurden – nach unternehmerischen Gesichtspunkten umstrukturiert und gewinnorientiert geführt worden. Gewinne, die erwirtschaftet werden müssen, wurden entweder zur Erhöhung des Eigenkapitals eingesetzt oder an den Haushalt Berlins abgeführt. Zwar könnten durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften im Prinzip wirklich bezahlbare Mietwohnungen in großem Maßstab gebaut werden – auch städtebaulich ansprechendere Varianten als die Klötze des sozialen Wohnungsbaus. Dies geschieht aber nicht bzw. nicht im nötigen Umfang. In den letzten Jahren wurde zwar von den Kommunalen wieder verstärkt investiert, heraus kommen aber meistens teure Neubauwohnungen oder Modernisierungen im Bestand, die zur Verdrängung von Mieterinnen führen. Die ehemals gemeinnützigen agierenden kommunalen Wohnungsbaugesellschaften dienen nicht mehr dem Gemeinwohl.
Zweitens sind effektive und transparente Selbstverwaltungsstrukturen in kommunalen Wohnungsbaugesellschaften nicht vorhanden. Zwar gibt es vereinzelte Mitbestimmungsgremien auf nachbarschaftlicher Ebene (Mieterbeiräte). Diese habe jedoch kaum Mitspracherechte, die über die Gestaltung von Spielplätzen oder die Anordnung von Fahrradständern hinausreichen. Der Berliner Mietenvolksentscheid (MVE) konnte 2015 mit einer Kampagne gegen den Berliner Senat in allen sechs städtischen Wohnungsunternehmen immerhin die Schaffung von Mieter_innenräten durchsetzen, die bei Neubau- und Modernisierungsprojekten mitreden dürfen. Das ist ein erster Teilerfolg – echte Mitbestimmung sieht jedoch anders aus. Hinzu kommt, dass viele Mieter_innenräte aktuell zurücktreten, weil sie durch die Unternehmensführung ausgebremst werden und zum Abnicken aufgefordert werden.
Kurz: Der kommunale Wohnungssektor wird heute ganz und gar nicht mehr im Sinne eines Wohnens als Gemeingut eingesetzt – dabei böte er dafür viele Anknüpfungspunkte.
Diese doppelte Sackgasse – fehlende Verbreiterung bei selbstverwalteten Projekten, fehlende Mitbestimmung bei kommunalen – kann nur überkommen werden, wenn das Beste aus beiden Modellen kombiniert wird. Die Verbreiterung der Selbstverwaltung und die Demokratisierung der kommunalen Strukturen: Selbstverwaltet und Kommunal!
Was mit „Selbstverwaltet“ und „Kommunal“ gemeint ist, soll im Folgenden konkreter ausgeführt werden.
Selbstverwaltet & Kommunal
Konkret gilt es, neue Formen der Kooperation zwischen selbstverwalteten Organisationsstrukturen/Akteuren und etablierten kommunalen Institutionen zu entwickeln. Ziel unseres Modellprojekts ist es, das Kommunale radikal zu verändern, und zwar so, dass das bestehende Verhältnis von Planung und Immobilienwirtschaft aufgebrochen wird: Anstelle einer Planung durch Expert_innen, die letztlich nur das profitable Geschäft der Immobilien- und Bauwirtschaft absichert und städtebauliche Ödnis produziert, fordern wir eine Demokratisierung von Planung und Vergesellschaftung von Wohnraum: Eine Stadt von unten!
Das heißt, sowohl private Eigentumsstrukturen zugunsten von kollektiven Strukturen zu überwinden als auch Mitsprache- und Beteiligungsstrukturen zu schaffen, die für all diejenigen zugänglich sind, denen eine Artikulation ihrer Bedürfnisse oder gar tatsächliche politische Mitsprache bisher versagt bleiben.
Selbstverwaltet: Ein Prozess der Demokratisierung
Wer Selbstverwaltung hört, denkt vielleicht an anstrengende Plena, den Zwang alle paar Wochen die Treppe selbst zu Putzen oder verminderte Lebensstandards. Die Entscheidungen darüber, ob man sich gerne in Hausplena organisieren möchte, ob man die Treppe gerne selber putzt, oder jemanden dafür bezahlt und ob man goldene Wasserhähne oder unverputzte Wände möchte, liegt aber eine Stufe unter unserer Idee von Selbstverwaltung. Selbstverwaltung in diesem Verständnis heißt, die Freiheit zu haben, solche Entscheidungen gemeinschaftlich zu fällen. Selbstverwaltung heißt, die Möglichkeit (mit-)zu bestimmen, wenn es um die eigenen Belange geht. Das heißt nicht, dass immer alle zu allen Zeiten gleich stark mitmachen (müssen). Welche Form dieser Selbstbestimmung gegeben werden kann, gilt es in einem Prozess zu definieren. Historische und aktuelle Beispiele sind reichlich vorhanden.
Demokratisierung kann nicht nur über die Schaffung von Mitbestimmungsgremien oder -organen funktionieren. Demokratisierung ist vielmehr ein Prozess, der angestoßen und ständig in Gang gehalten werden muss und nie konflikt- und widerspruchsfrei abläuft. Lokale Strukturen zu schaffen, die Selbstverwaltung ermöglichen, ist ein Mittel zur Verwirklichung des Modells, aber kein Selbstzweck.
Bei der Belegung des Modellprojekts muss besonders darauf geachtet werden, dass keine subkulturell oder rein akademisch geprägte Homogenität entsteht. Kapitaleinlagen dürfen keine Zugangsvoraussetzung sein; es muss ein Modell entwickelt werden, dass Menschen Zugang zu dem entstehenden Wohn- und Arbeitsraum gewährt, die dringend darauf angewiesen sind. Ein reines Mittelschichtsprojekt darf nicht entstehen – nicht zuletzt, weil sonst die Gefahr droht, dass ein Modellprojekt ausschließlich zum kapitalistischen Aufwertungskatalysator in der Nachbarschaft wird. Im Gegenteil sollen das Modellprojekt und die selbstverwalteten Strukturen offen für die Nachbarschaft sein, so dass diese auch von ihnen profitieren kann. Diese Offenheit ist über die Planungsphase hinaus zu bewahren. Es müssen institutionalisierte Strukturen geschaffen werden, in denen die Selbstverwaltung des Modells und die nachbarschaftliche Einbindung verankert wird, auch mit niedrigschwelligen Angeboten. So soll eine Stadt von unten nach und nach für alle zugänglich werden.
Kommunal: Über sich hinaus wirken
Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften Berlins haben ihren schlechten Ruf zu Recht. Als Unternehmen geführt, waren ihre eigenen Mieter_innen lange Zeit nicht der Mittelpunkt ihres Interesses, geschweige denn ein breitere Gemeinwohlorientierung der Angelpunkt ihrer Arbeit. Ihre unternehmerische und paternalistische Management-Kultur tut ihr Übriges. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass öffentliche Institutionen das Ergebnis von sozialen Kämpfen sind – diese öffentlichen Institutionen müssen (zurück) gewonnen werden.
Die Aufgabe von solchen zurück eroberten städtischen Wohnungsbaugesellschaften wäre es, sozial über einzelne Projekte hinaus zu wirken, also den massenhaft gebrauchten, wirklich bezahlbaren Wohnraum bereit zu stellen. Gleichzeitig können sie als Institutionen auch zur Verbreiterung des Demokratisierungsprozess beitragen. Wohnen als Gemeingut ist mehr, als nur Daseinsvorsorge. Soziale Aspekte müssen mit demokratischen verbunden werden.
Für unser Modellprojekt haben wir uns bewusste für das Wort „kommunal“ und nicht „städtisch“ oder „öffentlich“ entschieden. Kommunal kann mehr bedeuten als „öffentlich Hand“; kollektives Eigentum kann auf viele verschiedene Arten entstehen. Letztlich geht es darum, den Besitz und die Verwaltung von Wohn- und Arbeitsraum zu vergesellschaften und damit „eigentümerlos“ zu machen. Die Verhinderung der Privatisierung des sogenannten Dragonerareals war eine der wichtigsten Voraussetzung dafür.