Ein eigenständiger „Kiezraum“ für eine eigenständige Stadtgesellschaft

Stellungnahme von Stadt von Unten zur vorbereitenden Untersuchung Sanierungsgebiet „Rathausblock/Ruhlsdorfer Straße“

Im Beteiligungsverfahren zur vorbereitenden Untersuchung zum Sanierungsgebiet „Rathausblock/Ruhlsdorfer Straße“ wurde von Beginn an und von verschiedenen Seiten ein „Kiezraum“ gefordert. Eine breit besuchte Nachbarschaftsversammlung am 6. April 2016 im Club Gretchen hat diese Forderungen nochmal bekräftigt, und auch in der „wachsenden Ausstellung“ (.pdf) und im Bericht zur vorbereitenden Untersuchung für ein Sanierungsgebiet Rathausblock/Ruhlsdorfer Straße ist die Forderung dokumentiert. In den vorgeschlagenen Maßnahmen jedoch wird ein „Kiezraum“ nicht ausdrücklich erwähnt. Hier wird er lediglich als Anhängsel einer Kinder- und Jugendeinrichtung (Maßnahme B3) oder der „Verfahrensbewältigung“ (Maßnahme S3) denkbar.

Diese Maßnahmen bleiben weit hinter der vielfach und nachdrücklich aus der Nachbarschaft, von lokalen Initiativen und von den Gewerbetreibenden formulierten Forderung nach einem eigenständigen „Kiezraum“ als physischen Raum auf dem so genannten Dragonerareal zurück.

Die „wachsende Ausstellung“ zur vorbereitenden Untersuchung weist selbst auf einen großen Mangel an sozialer Infrastruktur im Quartier hin. Der Bedarf an nicht-kommerziellen Orten der nachbarschaftlichen Begegnung für stadtgesellschaftliches Engagement, für Kultur, Bildung und Freizeit geht weit über das bestehende Angebot hinaus. Bestehende Räume für diese Zwecke werden auf Grund der Mietentwicklung und Verdrängungseffekte in Kreuzberg sogar noch knapper.

Auf die schriftliche Nachfrage nach der Unterstützung für den Kiezraum hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung „das Engagment der zahlreichen Initiativen begrüßt“ und versichert, dass mit der Festlegung des Sanierungsgebiets „andere Voraussetzungen für das Projekt Kiezraum bestehen“. Wir fordern daher, in den Ergebnissen der vorbereitenden Untersuchungen diese Voraussetzungen zu benennen und den Bedarf an einem eigenständigen „Kiezraum“ auf dem so genannten Dragonerareal klar hervorzuheben.

Um das „Dragonerareal“ hat in den letzten Monaten und Jahren ein Prozess der nachbarschaftlichen Selbstorganisation begonnen, der sich nachdrücklich und konstruktiv in die Beteiligungsverfahren zum Sanierungsgebiet eingebracht hat. Würde dieses eigenständige Engagement ausschließlich in eine gesteuerte Gebietsentwicklung überführt, in der es überwiegend um das Gebietsimage, die Geldvergabe in Verfügungsfonds und um Gremienarbeit geht, würde dieser Prozess großen Schaden nehmen.

Die Eigenständigkeit der Selbstorganisation muss im Gegenteil unterstützt werden. Dafür ist ein Ort der Kommunikation und Organisation nötig – ein Kiezraum. Nur so kann eine wirkliche Beteiligung an der Gebietsentwicklung über den langen Zeitraum von mehreren Jahren möglich werden.
Ein Kiezraum ist kein Raum für bloße Beteiligungsverfahren oder für die bloße Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen. Er ist Voraussetzung für jede wirkliche Form der Beteiligung und Mitbestimmung an der zukünftigen Entwicklung des sogenannten Dragonerareals. Er bietet den Raum für Austausch und Organisation zwischen Betroffenen und Interessierten. Diese haben bisher hauptsächlich außerhalb von offiziellen Beteiligungsverfahren stattgefunden und das soll auch weiterhin so bleiben.

Das Besondere am bisherigen Prozess war gerade, dass Ziele nicht erst in formellen Verfahren formuliert wurden, sondern die vertretenen Positionen der Selbstorganisation von der Nachbarschaft, von Mieter*innen und Initiativen erarbeitet wurden. In einem solchen Prozess können nicht nur „Innovationen beim Planen und Bauen“ entstehen, wie es in der „wachsenden Ausstellung“ heißt, sondern tragfähige Organisations- und Kooperationsformen für einen innovativen Planungsprozess „von unten“.

Das Breite Interesse an der Gebietsentwicklung, die Bereitschaft Ideen zu entwickeln und einzubringen und die bestehende gute Vernetzung der Akteure sind beste Voraussetzungen an dieser Stelle diesen Weg zu betreten – in einem dafür bereitgestellten, eigenständigem Kiezraum.

Deshalb fordern wir die folgende Ergebnisse des bisherigen Beteiligungsverfahrens im Bericht festzuhalten:

  • einen „Kiezraum“ auf dem so genannten Dragonareal
  • sofort, und nicht erst im Zuge einer Umgestaltung des Areals
  • von der Stadt zur Verfügung gestellt aber in eigenständiger Trägerschaft
  • angemessen ausgestattet als nachbarschaftlicher Begegnungsort, Stadtteilzentrum und als Ausgangspunkt und Fortsetzung für einen Planungsprozess „von unten“

Stadt von Unten

  • Stellungnahme als .pdf
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